Montag, 24. Mai 2010

Uhrwerk Deutschland

Larry musste erst wieder ein paar Wochen nach Australien fahren, um festzustellen, wie sehr er seinen Rhythmus inzwischen an der Uhrzeit ausgerichtet hatte.
Jeden Morgen fand er sich völlig orientierungslos als im Radio nur Musik dudelte, der Moderator seine Schwätzchen hielt, und nichts und niemand ihm sagte, wie viel Uhr es ist.
Aus Deutschland war er es gewohnt, dass egal, welchen Sender er hörte, zumindest regelmäßig Nachrichten gesendet wurden. Die Nachrichten starteten mit erbarmungsloser Pünktlichkeit. So begannen die 7-Uhr-Nachrichten um 7:00 Uhr und nicht 10 Sekunden früher oder 3 Sekunden später - oder gar nicht, so wie er es in Australien erlebte und was ihn völlig aus dem Konzept brachte.
Da half es auch nichts, auf Uhren im öffentlichen Raum zu achten, so wie sie in Deutschland an jeder Straßenbahnhaltestelle standen, vor jeder Apotheke baumelten oder die Kirchtürme zierten. Da war nichts in Australien. Und wenn doch irgendwo eine Uhr stand, dann wollte man ihr nicht trauen.
An Funkuhren wollte Larry gar nicht erst denken. Niemand in Australien wäre auf die Idee gekommen, dass es Uhren gibt, die sich selber per Funk mit einer zentralen Atomuhr synchronisierten. Wozu auch?
Erst mit der Zeit entspannte sich Larry, fand fast völlig zur relaxten australischen Art zurück und regte sich nicht mehr über die Unpünktlichkeit seiner Landsleute auf.

Samstag, 1. Mai 2010

Deutsche Seele findet Heimat

Niemals hätte Priti gedacht, dass sie einmal in Deutschland eine Heimat finden sollte!
Denn was sollte ihr an Deutschland gefallen? Könnte es zwei unterschiedlichere Länder geben als Deutschland und Indien?
Oder...?
So verschlug es sie zunächst in die USA und von dort immer wieder beruflich nach Deutschland, bis sie eines Tages feststellte, dass dieses kleine Land nicht nur geographisch in der Mitte zwischen Amerika und Indien lag, sondern auch ihr genau den Lebensstil bot, den sie immer gesucht hatte.
In Deutschland wurde ihr bewusst, was sie all die Jahre in den USA vermisst hatte:
Es waren die Traditionen und Feste, die saisonale Küche, Gemeinsinn und die Art der Freundschaft. Dinge, mit denen sie in Indien aufgewachsen war und deren Verlust ihr erst klar machte, dass es das Salz war, das ihrem Leben in den USA fehlte.
Zwar scheinen Weinfest, Schützenfest, Wurstmarkt, Karneval und Weihnachtsmarkt nichts, aber auch gar nichts mit indischen Festen gemein zu haben, dennoch fühlt Priti, dass beide die gleichen Wurzeln haben.
Es geht darum, Traditionen zu leben und durch diese das Dorf, die Freunde, die Familie zusammenzubringen.
Und auch wenn der globale Markt alle Waren zu jeder Zeit bereit stellt, so haben Deutsche wie Inder sich ihre saisonale Küche bewahrt und genießen ihren Spargel, ihre Martinsgans oder den Zwiebelkuchen zu den gleichen Zeitpunkten wie schon ihre Ahnen.
Als Priti schließlich neulich in nostalgischer Erinnerung an die Musik alter Bollywood-Filme eine CD mit thüringischer Volksmusik kaufte, brachte eine Freundin sie auf folgenden Idee: War sie vielleicht in einem ihrer vorangegangenen Leben schon einmal eine Deutsche gewesen?