Samstag, 25. Dezember 2010

Schlange stehen

Deepali war erst seit ein paar Wochen in Deutschland und alles erstaunte sie.
Am meisten aber beeindruckte sie wie bessessen die Deutschen vom Schlangestehen waren. Es war erstaunlich zu sehen, wie die emisigen Deutschen geduldig im Supermarkt, bei der Post oder an der Theaterkasse warteten. Niemand in Indien würde sich dafür die Zeit nehmen. Schlangen waren doch so langsam und langweilig!
Und so kaufte Deepali ihre erste Zugfahrkarte gänzlich auf indische Art. Die Person vor ihr in der Schlange hatte noch nicht bezahlt, da streckte sie die Hand aus und fragte nach ihrer Karte. Die Dame am Schalter schaute sie ein wenig schräg an, gab ihr aber das Ticket.
"Na also, geht doch", dachte sie, "was haben die Deutschen bloß mit ihren Schlangen?".
Kaum auf dem Bahnsteig, kam auch schon ihr Zug. Der Zug hielt, sie stürmte hinein und schaute sich nach einem Fensterplatz um, als sie bemerkte wie die meisten Leute, die mit ihr auf dem Bahnsteig gewartet hatten, immer noch in so etwas wie einer Schlange draußen an der Tür standen.
Deepali war verwirrt und wusste nicht recht, was sie tun sollte. Sie wusste zwar, sich im Gedränge durchzusetzen, aber diese stille Missachtung ihres Verhaltens bereitete ihr Unbehagen.
Zunächst wollte sie sich möglichst schnell auf einen Sitz in einer Ecke verkriechen, folgte dann aber doch dem Ruf ihres Gewissens, schlich verlegen aus dem Zug und reihte sich schüchtern hinten in die Schlange ein.
Die anderen nickten ihr anerkennend zu, und ihr wurde klar, dass die Deutschen Schlangestehen anscheinend nicht als Zeichen der Schwäche, sondern des Respekts ansahen.

Montag, 13. Dezember 2010

Weihnachts-Unterhosen 2010

Die Heidelberger Weihnachtsunterhosen - eines der beliebtesten Bilder dieser Seite. Auch dieses Jahr wieder. Dies mal in neuer Ansicht. Nicht von Norden, sondern von Süden geschaut.
Herrlich nicht wahr?
Die Sicht der letzten Jahre: 2009

Sonntag, 5. Dezember 2010

Und Gerechtigkeit für alle

Nasreen war erst vor kurzem aus dem Iran nach Deutschland gekommen und kämpfte sich mit ihrem wenigen Deutsch durch die neue Welt.
Zum Glück war ihr Bruder schon einige Jahre länger im Land und so unternahmen sie oft gemeinsam Dinge in Berlin. Eines Tages stoppte ihr Bruder im Halteverbot, und prompt kamen zwei Polizisten auf ihn zu, um ihn auf sein Vergehen aufmerksam zu machen. Er versuchte sich herauszureden als einer der beiden Polizisten ihm das Angebot machte: "Wenn Du mir 20 Mark gibst, können wir die Sache vergessen".
Der Polizist hatte nicht mit dem Gerechtigkeitssinn von Nasreens Bruder gerechnet - und so fuhr dieser den Polizisten an, wo er denn glaube dass er sei, warum er ihn duze, und er möge ihm doch bitte einmal seine Dienstnummer geben.
Diese bekam er und dazu ein echtes Protokoll. Er verabschiedete sich von den Polizisten mit der Ankündigung, dass man sich vor Gericht Wiedersehen würde.
Bleich im Gesicht hatte Nasreen die Szene beobachtet. Sie hatte Angst, verstand nur die Hälfte und sagte zu ihrem Bruder "Bist du verrückt, du kannst dich doch nicht mit der Polizei anlegen. Jetzt werden wir alle Ärger kriegen!". "Werden wir nicht, hier kann man selbst den Bundeskanzler verklagen", entgegnete er ihr ruhig.
Ein paar Wochen später mussten sie tatsächlich vor Gericht erscheinen. Nach all den Geschichten, die sie über iranische Gerichte gehört hatte, hatte sie alles andere als ein gutes Gefühl, als sie das Gericht betrat. Um so erstaunter war sie, dass sie den Prozess gewannen und die Polizisten verurteilt wurden.
Sie war beeindruckt, und Demokratie war plötzlich mehr als ein Wort für sie.

Sonntag, 7. November 2010

Direktheit

Auch nach vielen Jahren in Deutschland passiert es Nuno, dass er von der direkten Art der Deutschen überrascht wird.
In Portugal vermeidet man zu direkte negative Antworten und dreht zunächst einmal ein paar Kreise bis man zum Punkt kommt.
In Deutschland hingegen ist es, als wenn die direkte Meinung ohne Umschweife direkt wie in kaltes Messer in die Brust des Gegenüber gestoßen wird.

Frage: "Ist das gut so wie ich es gemacht habe?"
  • Antwort Portugiese: "Das ist gut, aber man müsste an der ein oder anderen Stelle noch etwas ändern."
  • Antwort Deutscher: "Nein, das ist falsch."

Samstag, 30. Oktober 2010

7 +1: Emily (Kanada)

7 Sachen, die mir an Deutschland gefallen:
  • Die Nähe zu Frankreich
  • Die Nähe zu Italien
  • Dass Schokolade zur Grundnahrung gehört
  • Die Genauigkeit der Sprache
  • Dass mein Arbeitgeber mir einen Firmenwagen ermöglicht und dass ich jetzt einen super-sexy Audi A5 zum Neidwesen aller Männer in meiner Nachbarschaft fahre.
  • Seitenbacher Müsli und Roggenvollkornbrot vom Bäcker
  • Dass die Zeitungen ausführliche Meinungsartikel und Leitartikel drucken
1 Sachen, die ich in Deutschland vermisse:
  • Ahornsirup in 5-Liter-Kanistern

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Demonstrieren

Luiza war in Brasilien politisch recht aktiv und beteiligte sich an der ein oder anderen Demonstration.
Als sie schon eine Weile in Deutschland wohnte, fragte sie einen Freund wie sich die Leuten denn hier zu Demonstrationen fänden. Zwar hatte sie schon einiges in Deutschland erlebt, als sie aber erfuhr, dass man eine Demonstration anmelden muss und dass sie immer von der Polizei begleitet wird, war sie baff "Das ist ja Wahnsinn hier! Alles schön geregelt."
Für Brasilien hatte sie es einfacher in Erinnerung: Man hatte eine Meinung, sammelte ein paar Leute, griff ein Megafon, und ab ging es auf die Straße.

Samstag, 9. Oktober 2010

Schild-Bürger: Achim, Rudi & Uwe



Das kann man regelmäßig hier sehen: Ort.

Sonntag, 3. Oktober 2010

Gastfreundschaft

Im Iran ist Gastfreundschaft das höchste Gut.
Egal wie wenig eine Familie hat, kommt ein Gast, so werden die Tische mit Essen beladen, dass sich die Balken biegen. Egal um welche Tageszeit, es wird vorausgesetzt, dass der Gast Hunger hat.
Um so erstaunter war Nasreen in ihrer ersten Zeit, wenn sie die Wohnungen von Deutschen betrat. Niemand schleppte Berge von Speisen heran, nein nicht einmal ein Apfel oder Nüsse wurden ihr angeboten. Lediglich mit ein wenig Glück wurde ihr ein Glas Mineralwasser gereicht.
Fast ohnmächtig vor Schreck wurde sie einmal, als sie im Wohnzimmer des Gastgebers saß und dieser sie mit einem Glas Fanta und den Worten verabschiedete "Mach's dir ruhig bequem. Ich bin in 5 Minuten zurück, ich gehe nur schnell in die Küche, um etwas zu essen."
So gewöhnte sie sich mit der Zeit daran, genau darauf zu achten, ob eine Einladung ein Essen enthielt oder nicht. Und in letzterem Fall aß sie noch einmal kräftig, ehe sie sich auf den Weg zu ihrer Einladung machte.

Samstag, 18. September 2010

7 + 1: Georgi (Georgien)

7 Sachen, die mir an Deutschland gefallen:
  • Dass alles sauber ist, inklusive der Luft
  • Die Sicherheit - es ist z.B. ein tolles Gefühl, nicht ständig aus dem Fenster schauen zu müssen, um zu prüfen, ob das unten geparkte Auto noch dort steht
  • Dass ich die Arbeit machen kann, die mir Spaß macht
  • Dass man sich auf die Leute verlassen kann und dass sie das, was sie anfangen, auch vernünftig zu Ende bringen
  • Dass hier neue Sachen, Innovationen, die es zwar vielleicht auch woanders gibt, früher in echtem Gebrauch sind und flächendeckend eingesetzt werden
  • Die vielen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, die Deutschland bietet. Von Rad bis Paragliding und 1000 andere Sachen.
  • Die Infrastruktur ist unglaublich gut. Egal ob mit dem Auto oder Bus oder Bahn - man kommt überall hin
1 Sache, die ich in Deutchland vermisse:
  • Das Gefühl der Zugehörigkeit - man ist da, gehört aber irgendwie nicht dazu (ist aber wohl als Ausländer in jedem Land so). Generell ist es in Deutschland schwer, persönliche Beziehungen aufzubauen. Zusammenhalt einer Familie ist nicht ausgeprägt.

Sonntag, 5. September 2010

Mailand

"Mailand? Mailand, wo in aller Welt ist Mailand", fragte sich Jan als er die Menschen in seiner ersten Zeit in Deutschland reden hörte.
Dass es kein Land wie England oder Russland war, war ihm schnell klar. Aber wo war dieser Ort nur? Eine Insel in der Nordsee, eine Provinz in Sachsen? Oder war es gar ein Vergnügungspark, den es nur temporär im Mai gab?
Zu fragen, traute er sich nicht und so dauerte es noch eine ganze Weile , bis er irgendwann aus dem Kontext schloss, dass der Stadt Milano in Deutschland so viel Bedeutung gegeben wurde , dass man sie kurzer Hand zu einem Land gemacht hatte.

Sonntag, 29. August 2010

Nackt

"Bitte ausziehen"
"Was?"
"Ausziehen!"
"Jetzt???"
"Ja"
So lautete bei einem ihrer ersten Arztbesuche in Deutschland der Dialog zwischen Pao Pei und ihrem Arzt. Sie war nicht darauf vorbereitet gewesen, sich direkt vor seinen Augen völlig entkleiden zu müssen.
Andere Länder sahen für den Patienten, speziell für Frauen, ein dünnes Kleid vor, dass sie sich in einer Kabine beim Arzt anziehen konnten. Nicht so in Deutschland.
Überhaupt konnte Pao Pei zu Beginn die unbekümmerte Art der Deutschen im Umgang mit ihrer Nacktheit kaum fassen.
In der Umkleidekabine beim Sport guckte sie die erste Zeit beschämt zur Seite, wenn wieder eine Frau völlig nackt locker durch die Umkleide lief und gar nicht auf den Gedanken kam, sich ein Handtuch umzubinden.
Oder als sie mit einer deutschen Kollegin auf einer Dienstreise ein Hotelzimmer teilte und diese sich vor dem Abendessen plötzlich in ihrer Anwesenheit auszog und splitternackt zwischen Koffer und Spiegel hin- und herlief und sich dabei jeweils als Entscheidungshilfe verschiedene Abendgarderobe vor den Körper hielt.
Oder als sie da erste Mal an einem See baden war und mit ansah wie die Frauen neben ihr in aller Öffentlichkeit den Bikini auszogen, um sich überall mit Sonnencreme anreiben zu können.
Oder wie ihr eines Tages ihre Deutschlehrerin erklärte, dass man in Deutschland nackt in die Sauna gehen müsse. Zunächst dachte Pao Pei, sie habe falsch verstanden, ihr Deutsch sei noch nicht gut genug und bat um Wiederholung. Als die Lehrerin das gleiche noch einmal sagte, schaute sie sie mit offenem Mund an: "Wirklich?" Und mit fassungslosem Staunen legte sie nach: "Männer und Frauen gemeinsam?".

Freitag, 20. August 2010

7 + 1: Nuno (Portugal)

7 Sachen, die mir an Deutschland gefallen:
  • Ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Privatleben (in Portugal arbeitet man unglaublich viel, ohne dabei aber entsprechend produktiv zu sein)
  • Die Dinge funktionieren
  • Die Leute versuchen, die Sachen immer noch ein Stück besser zu machen, selbst wenn etwas schon gut ist (auch wenn dies manchmal so weit geht, dass sie vergessen zu genießen, was sie schon haben)
  • Dass die Landschaft so grün ist
  • Dass die Deutschen ihren Wald nutzen (in Portugal würde fast niemand sagen "Lass uns mal in den Wald gehen")
  • Dass Züge ein wichtigter Bestandteil des Transports sind, und man mit ihnen überall hin gelangt
  • Bier
1 Sache, die ich in Deutschland vermisse:
  • Fisch & Meer

Mittwoch, 11. August 2010

Hightech-Sportler

Die manchmal widersprüchliche Art der Deutschen im Umgang mit Geld war eine der ersten Sachen, die Roxana in Deutschland auffiel.
So bemerkte sie, dass die Deutschen immer darauf zu achten schienen, nicht zu viel für ein Essen auszugeben oder gerne von einem Schuhgeschäft zum nächsten liefen, um endlich eine Schnäppchen zu erjagen. Man zeigte sich sparsam.
Doch gab es Umstände, unter denen die Deutschen all ihre Gedanken ans Kostenbewusstsein über Bord geworfen zu haben schienen.
Eine solches Beispiel fand sich beim Thema Sport - bei Sportbekleidung und Sportgeräten.
Hier konnte das Material gar nicht gut genug sein und selbst totale Amateure und Gelegenheitsportler gaben sich mit nicht weniger als dem Besten zufrieden.
Ohne große Gedanken wurden 2000 Euro für ein Rennrad bezahlt, und die Uhr fürs Radfahren konnte ohne Puls-, Höhen-, Geschwindigkeits- und Trittzahlmesser mit integriertem Kompass und GPS nicht auskommen.
Die Kleidung spiegelte stets das Neueste was Sport- und Weltraumforschung hervorgebracht hatten: völlig undeutsch bunte Kleidung aus isolierendem, schweißabweisendem, winddichtem, regenfestem, atmungsaktivem, aerodynamischem Polyester.
Es schien, als erlaube erst diese teure Hightech-Spezialausrüstung den Deutschen das Betreiben eines Sportes.

Samstag, 7. August 2010

Schild-Bürger: Fucker


Was soll man über die Passagiere denken, wenn dieser Bus vorbei fährt?
Das Unternehmen existiert tatsächlich... mehr hier.

Sonntag, 11. Juli 2010

Hast du mal ne Zigarette?

In Brasilien gelten Zigaretten als Allgemeingut. Jeder fragt jeden nach einer Zigarette und wer eine neue Schachtel kauft, öffnet diese sofort, um zunächst einmal anderen davon anzubieten.
Als Gutstavo noch frisch in Deutschland war, fand er sich abends in einer Bar und hatte Lust, eine Zigarette zu rauchen. Er fragte den erstbesten Raucher, der neben ihm stand, nach einer Zigarette.
Da er nur einen skeptischen Blick erntete, dachte Gustavo zunächst, der Raucher habe sein holpriges Deutsch nicht richtig verstanden. Nach einer Pause, erhielt er dann jedoch eine Antwort, die mit deutlichen Handbewegungen untermalt war:
"Du nehmen 5 Mark. Gehen zu Automat. Stecken Geld rein. Raus kommen Zigaretten."
Gustavo schaute den Raucher mit großen Augen an und versank fast im Boden. Es war das erste und letzte Mal, dass er in Deutschland einen Unbekannten nach einer Zigarette gefragt hatte.

Mittwoch, 30. Juni 2010

Jeder ist die Polizei

Bis heute zuckt Pao-Pei zusammen, wenn sie plötzlich von der Seite, von hinten oder auch von oben mit scharfer Stimme angesprochen wird.
Es kann überall und zu jeder Tageszeit passieren.
Sie schiebt ihr Fahrrad, sieht ein Poster für eine Veranstaltung, steuert auf dieses Poster zu und noch ehe sie nah genug ist, um die Details lesen zu können, ruft es von einem Balkon herab "Das Fahrrad darf da aber nicht abgestellt werden!".
Pao-Pei hatte gar nicht die Absicht, ihr Rad zu parken und erst als sie verschreckt weiter geht, sieht sie hinter dem Poster ein Schild mit der Aufschrift "Fahrrad abstellen verboten".
Oder sie geht - bereits im korrekten Recycling trainiert - zum Flaschen-Container, um ihr Leergut loszuwerden. Während sie die Flaschen einwirft, werfen ihr die Passanten böse Blicke zu. Sie weiß die Blicke nicht zu deuten und wirft weiter fleißig Flaschen ein - bis ein Mann wütend auf sie zukommt und brüllt "Können sie nicht lesen?". Völlig verwirrt schaut sie ihn an, während er ihr noch 2, 3 Mal sein Können-sie-nicht-lesen entgegen wirft.
Als Pao-Pei immer noch nicht weiß, was sie überhaupt lesen soll, löst der Brüller endlich das Rätsel auf und zeigt auf den Aufkleber am Container: "Flascheneinwurf sonntags und feiertags verboten".
Sie hatte den Aufkleber bisher gar nicht bemerkt und kannte derartige Regeln weder aus ihrer Heimat Malaysia, noch aus den anderen Ländern, in denen sie zuvor gelebt hatte.
Die Liste der Erlebnisse ließe sich fortsetzen und so kam Pao-Pei irgendwann die Erkenntnis, dass wohl in jedem Deutschen ein Polizist wohnen müsse. Aus anderen Ländern war sie es gewohnt, dass die Menschen sich nicht in das Treiben Fremder einmischen, solange niemand zu schaden kommt und dass man die Menschen erst einmal ruhig anspricht, ehe man sie zurechtweist.
Hier aber konnte sie erleben, wie selbst um 8 Uhr abends, einer Person, die eine leere Straße überquert, hinterher gerufen wird "Es ist rot!".

Samstag, 5. Juni 2010

Keine Geduld mehr

Wenn sie einmal wieder für ein paar Wochen zu Hause in Brasilien ist, merkt Luiza, dass sie schon sehr lange in Deutschland ist: Sie hat keine Geduld mehr.
Alles kommt ihr unendlich langsam vor. Zumal ihr Heimatort am Meer liegt und die Menschen sich hier im langsamen Rhythmus der Wogen bewegen.
Besonders deutlich wird es ihr jedes Mal, wenn sie im Supermarkt in der Schlange steht. Es bewegt sich nichts. Zumindest nicht nach vorne. Die einzige größere Bewegung findet allenfalls statt, wenn die gesamte Schlange sich nach links bewegt - weil der Computer der einen Kasse ausgefallen ist.
Nervös reckt sie den Hals nach vorne, um zu schauen, was an der Kasse passiert. Anstelle zu ben quatscht dort die Verkäuferin mit der Kundin und hat noch nicht einmal angefangen, die Preise in die Kasse zu tippen!
Auch wenn sie mit den Füßen wippt, so bleibt Luiza dennoch ruhig, denn sie weiß, sie braucht etwa eine Woche, um sich an den Rhythmus zu gewöhnen und sich dann mit allen anderen wie eine ruhige Woge im Meer wiegen.

Montag, 24. Mai 2010

Uhrwerk Deutschland

Larry musste erst wieder ein paar Wochen nach Australien fahren, um festzustellen, wie sehr er seinen Rhythmus inzwischen an der Uhrzeit ausgerichtet hatte.
Jeden Morgen fand er sich völlig orientierungslos als im Radio nur Musik dudelte, der Moderator seine Schwätzchen hielt, und nichts und niemand ihm sagte, wie viel Uhr es ist.
Aus Deutschland war er es gewohnt, dass egal, welchen Sender er hörte, zumindest regelmäßig Nachrichten gesendet wurden. Die Nachrichten starteten mit erbarmungsloser Pünktlichkeit. So begannen die 7-Uhr-Nachrichten um 7:00 Uhr und nicht 10 Sekunden früher oder 3 Sekunden später - oder gar nicht, so wie er es in Australien erlebte und was ihn völlig aus dem Konzept brachte.
Da half es auch nichts, auf Uhren im öffentlichen Raum zu achten, so wie sie in Deutschland an jeder Straßenbahnhaltestelle standen, vor jeder Apotheke baumelten oder die Kirchtürme zierten. Da war nichts in Australien. Und wenn doch irgendwo eine Uhr stand, dann wollte man ihr nicht trauen.
An Funkuhren wollte Larry gar nicht erst denken. Niemand in Australien wäre auf die Idee gekommen, dass es Uhren gibt, die sich selber per Funk mit einer zentralen Atomuhr synchronisierten. Wozu auch?
Erst mit der Zeit entspannte sich Larry, fand fast völlig zur relaxten australischen Art zurück und regte sich nicht mehr über die Unpünktlichkeit seiner Landsleute auf.

Samstag, 1. Mai 2010

Deutsche Seele findet Heimat

Niemals hätte Priti gedacht, dass sie einmal in Deutschland eine Heimat finden sollte!
Denn was sollte ihr an Deutschland gefallen? Könnte es zwei unterschiedlichere Länder geben als Deutschland und Indien?
Oder...?
So verschlug es sie zunächst in die USA und von dort immer wieder beruflich nach Deutschland, bis sie eines Tages feststellte, dass dieses kleine Land nicht nur geographisch in der Mitte zwischen Amerika und Indien lag, sondern auch ihr genau den Lebensstil bot, den sie immer gesucht hatte.
In Deutschland wurde ihr bewusst, was sie all die Jahre in den USA vermisst hatte:
Es waren die Traditionen und Feste, die saisonale Küche, Gemeinsinn und die Art der Freundschaft. Dinge, mit denen sie in Indien aufgewachsen war und deren Verlust ihr erst klar machte, dass es das Salz war, das ihrem Leben in den USA fehlte.
Zwar scheinen Weinfest, Schützenfest, Wurstmarkt, Karneval und Weihnachtsmarkt nichts, aber auch gar nichts mit indischen Festen gemein zu haben, dennoch fühlt Priti, dass beide die gleichen Wurzeln haben.
Es geht darum, Traditionen zu leben und durch diese das Dorf, die Freunde, die Familie zusammenzubringen.
Und auch wenn der globale Markt alle Waren zu jeder Zeit bereit stellt, so haben Deutsche wie Inder sich ihre saisonale Küche bewahrt und genießen ihren Spargel, ihre Martinsgans oder den Zwiebelkuchen zu den gleichen Zeitpunkten wie schon ihre Ahnen.
Als Priti schließlich neulich in nostalgischer Erinnerung an die Musik alter Bollywood-Filme eine CD mit thüringischer Volksmusik kaufte, brachte eine Freundin sie auf folgenden Idee: War sie vielleicht in einem ihrer vorangegangenen Leben schon einmal eine Deutsche gewesen?

Samstag, 24. April 2010

Straßenhandel

Gustavo fuhr mit einem Freund aus Brasilien, der ihn in Deutschland besuchte, durch die Straßen.
Der Freund schaute aufmerksam aus dem Auto und jdes Mal, wenn sie an Ampeln halten mussten, wurde sein Blick noch intensvier, und er drehte den Kopf nach vorne und hinten.
Als Gustavo bemerkte, dass sein Freund immer aufgeregter wurde, wurde er neugierig und fragte, was denn los sei.
"Gustavo, Mensch, hast du es denn nicht bemerkt? Du kannst hier in Deutschland Millionär werden! Niemand verkauft etwas auf der Straße. Selbst wenn wir an der Ampel stehen, kommt keiner und klopft an die Scheibe, um etwas anzubieten. Das ist eine Marktlücke hier!"
Gustavo runzelte die Stirn und überlegte eine Sekunde, ob es der Freund wohl ernst meine. Dann seufzte er, erzählte von deutschen Verboten & Genehmigungen und wie viel Spaß es wohl machen würde, im Winter auf der Straße zu stehen.

Sonntag, 18. April 2010

Der Deutsche und sein Wald

Emily war erst seit ein paar Tagen in Deutschland. Nachdem ihre Gastfamilie ihr Stadt und Umgebung gezeigt hatte, nahmen sie sie an ihrem ersten Wochenende mit auf einen Spaziergang in den Wald.
Emily glaubte zuerst, nicht richtig verstanden zu haben. Warum in aller Welt sollte sie in den Wald gehen? Niemand in Kanada würde auf die Idee kommen, freiweillig in den Wald zu gehen.
"Bush" nennen sie in Kanada den Wald. Und nur, wer sich von Dornen das Gesicht zerkratzen, sich verlaufen oder von einem Bären gefressen werden will, der geht aus freien Stücken in den Wald.
Spazieren geht man höchstens im Park in der Stadt oder auf den wenigen ausgewiesenen Wegen in Nationalparks. Aber niemand geht zum Wandern in den erstbesten Wald. Schon gar nicht mit Kindern oder um Pilze und Kastanien zu sammeln! Und überhaupt, was ist das: "Wandern"?
Schon bald gewöhnte sich Emily an diese seltsam Zuneigung der Deutschen zum Wald und Wandern. Sie sah ein, dass es keine gefährlichen Tiere gab, und die wie Autobahnen ausgeschilderten Wege im Wald selbst dem Dümmsten keine Chance ließen, verloren zu gehen.
Doch Emily hatte das Gefühl, es sei mehr als die Lust nach frischer Luft und Bewegung, die die Deutschen in die Wälder trieb, denn all das hätten sie ja auch beim Wandern entlang eines Flusses haben können. Es schien ihr, als hätten die Deutschen eine spezielle Verbindung zu ihren Wäldern, als sei der Wald an sich ein spiritueller Ort für sie.
Ein Ort, in dem viele Mythen spielten; ein Ort, an dem Hänsel & Gretel und Rotkäppchen die Gefahren des Lebens meisterten; ein Ort, in dem Räuber hausten; ein Ort, in dem schon vor 2000 Jahren Arminius die römische Übermacht in ihre Schranken wies.
Emily war fasziniert von dem generationenübergreifenden romantischen Waldbewusstseins der Deutschen. Welches Land sonst hatte seinen Wald auf seinen Münzen verewigt? Wo sonst wurden Lieder über den Wald als Freund gesungen? Wo sonst gab es Waldfriedhöfe? Wo sonst gab es Waldkindergärten? Wo sonst gab es Wörter wie "Waldsterben"?
Und so gewann sie mit den Jahren selber den Wald ein wenig lieb und hat inzwischen zu ihrer eingen Verwunderung den ein oder anderen Besucher aus der Heimat zu einem Spaziergang mit in den deutschen Wald genommen.

Samstag, 10. April 2010

Die Ruhe im Auto

Daran, dass ihm in Deutschland regelmäßig nicht die Tür aufgehalten wird, hat Nuno sich inzwischen gewöhnt. Allerdings ärgert es ihn bis heute ein wenig, wenn er selber jemanden die Tür aufhält und ihm kein Danke gesagt wird.
Dafür passiert es Nuno häufig, dass er der Person hinter sich die Tür aufhält, diese mit stieren Blick an ihm vorbei läuft und weitere 6 Personen folgen, von denen weder eine einzige Danke sagt, noch die Tür übernimmt, so dass Nuno wie ein Portier neben der Tür stehen bleiben muss.
Was Nuno völlig verwirrt ist, dass er im Straßenverkehr genau das Gegenteil erlebt. Möchte jemand ausparken, wird ihm Platz gemacht. Hat jemand sich vor einer Ampel in der Spur vertan, warten alle hinter ihm geduldig bis er die Spur gewechselt hat. Selbst wenn die Ampel dabei schon grün ist, veranlasst dies niemanden zu hupen.
In Portugal hingegen müsste so ein Fahrer froh sein, wenn ihm lediglich ein Hupkonzert entgegen bläst, und er nicht am nächsten Laternenpfahl aufgeknüpft wird.
Und wer aus einer Nebenstraßen kommt, sollte nicht damit rechnen, dass jemand auf der Hauptstraße anhält, um ihn einfahren zu lassen.

Mittwoch, 31. März 2010

Schild-Bürger: Ausfahrt

Interessanterweise erhält diese Seite nicht die meisten Treffer über Suchen à la "Ausländer Erfahrung Deutschland", sondern durch die Suche nach "Ausfahrt" auf google.com.
Offenbar ein recht lustiges Wort für alle Angelsachsen.
Von daher sei dieser Eintrag allen Ausfahrt-Suchern gewidmet!
Greetings to everybody searching for "Ausfahrt" - have a jolly good laugh!

Samstag, 27. März 2010

Beim Bäcker

Es dauerte ewig, bis Luiza die Angst verlor, in kleineren Geschäften einzukaufen.
Sie kannte weder die Dinge, die es zu kaufen gab, noch sprach sie gut Deutsch. Am schlimmsten waren die Bäckereien mit ihrer schier unendlichen Auswahl verschiedener Brote.
Und so schaute sie immer erst lange auf die Waren, bis sie sich schließlich entscheiden konnte, was sie wollte.
Währendessen fühlte sie den bohrenden Blick der Verkäuferin und fürchtete, dass jede Sekunde ein scharfes "Bitteschön!?" wie ein Blitz auf sie einschlagen würde.
Es musste in diesen deutschen Läden alles schnell gehen. Ganz schrecklich war es, wenn noch Leute nach ihr in den Laden gekommen waren, und sie nun den Betrieb aufhielt. Dann wurde der Druck für sie manchmal so groß, dass sie kehrt machte und schnell aus dem Laden huschte.
Mit der Zeit gewöhnte sie sich an, zunächst vorsichtig von draußen in den Laden zu schauen, schon von der Straße zu entscheiden, was sie nehmen wollte und gleichzeitig im Kopf den richtigen Satz für ihre Bestellung zu formulieren.
Das waren die Momente, in denen sie sich nach Brasilien wünschte, wo sie im Geschäft alle Zeit der Welt hatte, und niemand hinter ihrem Rücken schnaufte, wenn sie nicht schnell genug sagte, was sie kaufen wollte.

Samstag, 13. März 2010

Erotik auf Deutsch

Die bildhafte Art der deutschen Sprache kann Nuno immer wieder entzücken.
Im Portugiesischen wird ein abstraktes Wort oder ein importierter Begriff aus dem Griechischen oder Lateinischen verwendet, um einem Ding einen Namen zu geben. Im Deutschen hingegen wird das Wort aus Bildern zusammengesetzt.
So wird aus dem arabischen Algodão im Deutschen Baumwolle. Also eben Wolle, die ganz klar von einem Baum kommt und nicht einem Schaf vom Rücken gepflückt wurde.
Aus dem griechischen Pneumologie wird ein rot entzündetes Organ, die Lungenentzündung. Und aus dem Hippopotamus wird das, was jedes Kind in diesem Tier sehen würde: ein Pferd im Fluss, ein Flußpferd, klar beschrieben und jeder Exotik beraubt.
Nuno erinnert sich noch heute wie er vor vielen Jahren in einem Deutschkurs zum ersten Mal das Wort "Geschlechtsverkehr" hörte. Die ganze Klasse lag seinerzeit vor Lachen auf dem Boden. "Geht es noch deutscher?", fragten sich die Schüler? Selbst hier ist alles geregelt, man sieht Ampeln und Schilder vor sich. Nuno dachte nur "Wenn man das Wort hört, hat man schon keine Lust mehr."
Und so übte er sein Deutsch, indem er eines Tages eine kurze erotische Geschichte aufschrieb:
"Als Jürgens Zunge sich an Ulrikes Schneidezähnen vorbei drängte und mit ihrem Zahnfleisch spielte, spürte sie ein Kribbeln im Zwerchfell. Jürgen machte weiter, glitt mit seinem Zeigefinger über ihr Schlüsselbein, küsste sanft ihren Brustkorb, streichelte ihre schönen Brustwarzen und merkte wie ihr allmählich der Sauerstoff knapp wurde. Sie kamen sich näher und näher. Jürgen war völlig entspannt, wusste er doch, dass Ulrike die Antibabypille nahm, und ein Samenerguss ganz sicher keinen Mutterkuchen zur Folge haben würde."
Wie unpoetisch und direkt ihm diese Sprache auch erschien, so half es beim Lernen, wurde doch für jedes neue Wort direkt das passende Bild mitgeliefert.
Nur manchmal stellten die Bilder ein Falle dar, so wie damals als ihm von einem Kollegen zum ersten Mal ein "Schöner Feierabend!" gewünscht wurde und Nuno freundlich, aber mit völlig ernster Miene entgegnete "Danke, aber ich verbringe meinen Abend heute ganz ruhig zu Hause."

Samstag, 6. März 2010

Rot stehen - mit Google gesucht

Interessant zu sehen, mit welchen Suchbegriffen bei Google, die Leute auf dieser Seite landen:

So was passt ja:
  • ausländer in deutschland erfahrungen
  • erfahrungen mit ausländern
  • auslandern in deutschland
  • was ist in deutschland anders
  • erfahrungen als ausländer an einer deutschen universität
  • deutschlandschild
  • was ausländern in deutschland auffällt
  • das leben von ausländern in deutschland

Auch ganz interessant:
  • gute erfahrungen mit ausländern
  • du sprichst deutsch noch immer
  • die unhöfliche frage woher kommst du
  • geldtransfer ins ausland
  • auslaender freundlichkeit in deutschland
  • seltsame wörter deutschland
  • unterschiede kinder in holland und deutschland

Und hier meine Favoriten:
  • deutschland unfreundlich
  • nase putzen usa
  • freundin putzt nase
  • stuhl ins germany
  • geldtransfer schweiz nach brasilien
  • japan langnase
  • rumäne mit herpes
  • umsonst bier
Die meisten Suchen landen übrigens mit dem Begriff "ausfahrt" auf der Seite... Scheint für die google.com-Benutzer lustig zu klingen.

Dienstag, 23. Februar 2010

Sauerkraut

Bevor Luiza nach Deutschland kam, hatte sie immer wieder von dem berühmten deutschen Sauerkraut gehört.
Nachdem sie 3 Monate als Au-pair-Mädchen im Land war, fragte ihre Gastfamilie sie, ob sie einen bestimmten Essenswunsch habe. "Fantastisch!", dachte sie voller Begeisterung und wünschte sich für den nächsten Sonntag Sauerkraut.
Am Sonntag saß die ganze Familie am Tisch. Luiza schaute mit leuchtenden Augen auf das Essen. Die Familie hatte sich viel Mühe gegeben und alles selber zubereitet: Leberknödel auf Sauerkraut.
Endlich würde sie ihrer Familie und Freunden in Brasilien berichten können, dass sie Sauerkraut gegessen habe!
Voller Freude schnitt sie zunächst ein Stück von dem Leberknödel ab und steckte es in den Mund. "Ihhh", dachte sie, "das schmeckt ja gar nicht besonders".
Dann schaufelte sie ein wenig Sauerkraut auf ihre Gabel. Kaum berührte das saure Kraut ihren Gaumen, hatte sie das Gefühl, ihre Kehle würde sich zuschnüren. Sie schaute sich um, ob jemand am Tisch etwas bemerkt hatte und bemühte sich, weiterhin freundlich zu schauen.
Sie versuchte, das Sauerkraut herunterzuschlucken. Es ging nicht. Sie probierte es noch einmal und würgte es schließlich mit Tränen in den Augen hinunter.
So ging es ein paar Minuten, bis allen klar war, dass Luiza in Sauerkraut keinen Freund gefunden hatte.
Es ist nicht bekannt, was sie ihren Freunden darüber berichtete. Dafür nutzte sie die nächsten Jahre, um sich an Sauerkraut zu gewöhnen und behauptet heute stolz von sich, dass sie in der Lage ist, Sauerkraut zu essen.

Sonntag, 7. Februar 2010

Behinderte überall

Immer wieder bekommt Zhang Besuch aus der Heimat.
Wie viele Menschen, die ins Ausland reisen, können auch die meisten seiner Besucher, keinen rechten Geschmack an der fremden, deutschen Küche finden und behaupten, dass ihnen die Speisen nicht gut bekämen.
Doch zum Glück ist Zhang Chinese, was seine Ehre und das Leben seiner Gäste rettet. Denn egal, wohin er sie in Deutschland oder Europa führt, überall gibt es chinesische Restaurants und Schnellimbisse. Es kommt ihm manchmal wie ein dichtes Netz von Apotheken vor, das seine Gäste mit lebenswichtigen Präparaten versorgt.
Apropos Apotheken, was Zhangs Gästen immer wieder auffällt, sind die vielen behinderten Menschen, die sie in Deutschland auf der Straße sehen. Dort ein Blinder, der an der Ampel steht, dort ein Rollstuhlfahrer, der in den Bus einsteigt, hier eine alte Dame mit Laufhilfe und drüben eine Gruppe behinderter Kinder auf einem Ausflug.
"In Deutschland gibt es aber viele Behinderte!", murmeln sie ihm dann erstaunt zu.
Am Anfang war Zhang selbst überrascht über diese Entdeckung, denn in der Tat sieht man nirgendwo in China auch nur annähernd so viele Behinderte wie an einem ganz gewöhnlichen Tag auf einer deutschen Straße. "Aber klar", dachte er sich als er eine Weile über den Gedanken gegrübelt hatte, "in China ist kaum ein Behinderter so lebensmüde, sich auf die Straße zu wagen." Die Infrastruktur erlaubt es Menschen mit Einschränkungen einfach überhaupt nicht, das Haus zu verlassen.

Dienstag, 26. Januar 2010

Hallo, Herr Passant

Als Luiza neu in Deutschland war, grüßte sie überall die Menschen.
Selbst wenn sie in die Straßenbahn einstieg, strahlte ihr Gesicht, und sie begrüßte die Passagiere. Diese schauten sie jedoch meist nur schräg aus den Augenwinkeln an und lediglich der ein oder andere mittelalte Mann entgegnete ihr mit einem "Hallo!".
Es fiel ihr gar nicht auf, dass sie die einzige war, die so fleißig grüßte, bis ihr einmal eine Freundin zuflüsterte: "Luiza, das macht man hier nicht!".
Natürlich wollte sie nicht auffallen und so gewöhnte sie sich von heute auf morgen um.
Als sie Jahre später mit ihrer Schwester durch ihre Stadt in Brasilien lief, grüßte ihre Schwester jeden Passanten auf der Straße. So sehr hatte sie sich an Deutschland gewöhnt, dass sie ihre Schwester fragte "Kennst du die Leute alle, oder warum sagst du jedem guten Tag?". Erstaunt schaute ihre Schwester sie an "Luiza, das macht man hier so!".
So gingen sie weiter und sie grüßte von nun an im Chor mit ihrer Schwester jeden Passanten. Luiza war allerdings so verwirrt, dass sie stocksteif neben ihrer Schwester lief, lediglich ein Hallo murmeln konnte und nicht in der Lage war, ihr Gesicht zu einem Lächeln zu bewegen.

Samstag, 23. Januar 2010

Schild-Bürger: 2 Frauen

Warum soll man hier 2 Frauen abstellen?
Oder ist es eher das hier: Link?
(Es könnte aber auch ein MuKi-Parkplatz sein. Auf jeden Fall wird es über die Garagenverordnung geregelt)

Samstag, 16. Januar 2010

Ekel

Maria fand es eklig.
Als sie das erste Mal in einer Bäckerei stand, traute sie ihren Augen nicht als sie sah, wie der Verkäufer erst das Brot mit bloßen Händen anfasste und dann mit der gleichen Hand das Geld in Empfang nahm.
In Portgual wäre dies unmöglich gewesen. Der Verkäufer hätte das Brot niemals mit den Händen berührt, sondern eine Zange oder einen Handschuh benutzt.
Und das Geld? Für die Portugiesen gibt es kaum etwas Schmutzigeres. Kranke berühren es, Bettler stecken es in ihre Schuhe - es geht von ungewaschener Hand zu ungewaschner Hand.
Niemals würde man Geld auf einen Tisch legen. Weder im Restaurant, noch in der Küche, noch im Wohnzimmer. Genauso gut könnte man dort Hundekot platzieren.
In den folgenden Wochen in Deutschland begegnenten Maria noch viele weitere Beispiele, die ihr kalte Schauer den Rücken hinunter jagten.
Wie zum Beispiel der Eisverkäufer, der das Hörnchen direkt anfasste, anstelle den Fuß des Hörnchens in eine kleine Papiertüte zu stecken. Oder die Kunden im Supermarkt, die das Obst im Regal nicht nur mit bloßen Händen berührten, sondern es nahmen, drückten und wieder zurücklegten.
Entgegen all ihrer Erwartungen kam ihr Deutschland dreckig und unhygienisch vor, und sie brauchte eine Weile, um den größten Ekel zu überwinden.
Dafür identifizierte sie eines Tages voller Freude einen Landsmann, ohne mit ihm viele Worte gewechselt zu haben: Sie kaufte eine Waffel, die am Verkaufsstand frisch gebacken wurde. Der Verkäufer schüttete den Teig in die Form, nahm die Waffel mit einer Zange heraus, legte sie auf ein Papptellerchen und zog sich schließlich einen Handschuh an, um das Geld entgegenzunehmen.
Vom Gesehenen völlig überrascht fragte sie ihn ohne Umschweife, ob er aus Portugal sei. Er bejahte und Maria genoß die blitzsaubere Waffel wie selten eine Waffel zuvor.

Montag, 11. Januar 2010

Anders Unfreundlich

Veronkia weiß bis heute nicht, ob sie sich an die Sitten in deutschen Cafés gewöhnt hat.
Von Wien war sie es gewohnt, dass es normal war, auch einmal allein in ein Café zu gehen, einen Kaffee zu bestellen und dann endlos lange in der riesigen Auswahl an Zeitungen und Magazinen zu lesen.
In Deutschland muss sie Glück haben, wenn es überhaupt den Stern und die Lokalzeitung gibt. Und dann kommen alle Nase lang die Kellner und fragen, ob sie noch etwas haben möchte, bis sie schließlich genervt zahlt und geht.
Überhaupt war sie anfangs überrascht, feststellen zu müssen, dass Kellner in Deutschland meist Studenten sind, war sie doch von Wien Menschen gewohnt, die eine spezielle Ausbildung durchlaufen hatten und ihre Arbeit mit höchster Professionalität exerzierten.
Nicht dass sie freundlicher wären als in Deutschland, aber sie sind anders unfreundlich. Professionell unfreundlich. Sie sind schroff, lächeln nicht, halten sich jedoch an die Form, kommen umgehend zum Tisch des Gastes, sagen alle notwendigen Floskeln und bringen das Georderte tadellos vorbei.
Zu einem Kaffee wird in Wien stets ein Glas Wasser gereicht. Etwas, das ihr in Deutschland nie passiert. Fragt sie hingegen freundlich nach einem Glas Leitungswasser, so wird sie oft angeschaut, als wäre sie nicht ganz richtig im Kopf und missgelaunt wird das Wasser nachgereicht.
Die Cafés, mit denen Veronika aufwuchs, waren speckig, verraucht, modrig und abgestanden. Mobiliar und Kellner eingeschlossen. Wobei letztere so aussahen als würden sie schon 300 Jahre in dem Café arbeiten.
Dennoch hat alles Stil und ja, Kultur. So wird zum Essen, das es in jedem Café in guter Qualität und Auswahl gibt, stets ein Deckchen auf den Tisch ausgebreitet. Danach wird das Essen in perfekter Form gebracht und der Gast in Ruhe gelassen.