Sonntag, 27. September 2009

Sich frei machen

Nachdem die Physiotherapeutin Patrícia ins Behandlungszimmer begleitet hatte, ging sie noch einmal heraus, um kurz etwas nachzuschauen. Beim Herausgehen rief sie Patrícia ein "Machen sie sich frei" zu.
Es war noch nicht allzu lange her, dass Patrícia aus Portugal nach Deutschland gezogen war. Sie verstand zwar, was die Dame gesagt hatte, wusste aber dennoch nicht, was sie tun sollte.
Nun saß sie mutterseelenallein in einem Zimmerchen in Deutschland. Was in Gottes Namen sollte sie frei machen? Die Seele, die Gedanken? Sollte sie sich also entspannen und so Geist und Körper auf die Therapie vorbereiten? Oder sollte sie sich schlicht und einfach entkleiden?
Letzteres erschien ihr ein wenig risikoreich. Wie sähe es denn aus, wenn die Dame zurückkäme, und sie läge nackt auf der Pritsche?
Also entschied Patrícia sich fürs Entspannen. Sie setzte sich auf die Liege, ließ die Beine locker hängen, schloss die Augen und atmete tief ein und aus.
Die Entspannung endete jäh, als eine gänzlich unentspannte Therapeutin vor ihr stand und ihr mit großen Augen ins Gesicht sprach "Habe ich nicht gesagt, sie sollen sich ausziehen!?"
Seit diesem Tag weiß Patrícia, was freimachen bedeutet…

Samstag, 19. September 2009

Stopp, Geld her!

Aus den Läden in Timisoara kannte Nicoletta damals nur Körbe, Einkaufswagen hingegen sah sie das erste Mal in Deutschland.
Als sie mit ihrer Mutter zum ersten Mal auf den Eingang eines Supermarktes zuging, sahen sie, wie die Leute Einkaufswagen holten und zurückbrachten. Ein wenig unsicher blieben die beiden vor dem Unterstand für die Wagen stehen als eine Frau auf sie zukam und fragte, ob sie ihren Wagen haben wollten. Natürlich wollten sie, also bedankten sie sich, nahmen den Wagen und fuhren zielstrebig Richtung Eingang. Doch kaum dass sie los marschiert waren, hörten sie die Frau hinter sich rufen. Irritiert blickten sie sich um und vernahmen, dass die Dame eine Mark für das Überlassen des Einkaufswagens haben wollte. "Warum sollen wir ihr etwas für den Wagen zahlen? Die spinnt doch! Wo sind wir denn hier gelandet?", dachten beide.
Als die Frau verstand, dass sie hier mit Leuten zu tun hatte, die noch nicht allzu lange im Land waren, klärte sie Nicoletta und ihre Mutter auf, was es mit der Mark für den Einkaufswagen auf sich hatte.
Noch nicht ganz überzeugt von den seltsamen Regeln des neuen Landes gaben sie der Dame schließlich eine Mark und machten sich an den Einkauf.

Samstag, 12. September 2009

Schild-Bürger: Kein Trinkwasser!

Da es vermutlich jahrelang immer wieder Verwechslungen gegeben hatte, entschloss sich das Museum, über den Urinalen Hinweisschilder anzubringen (aufs Bild klicken).

Samstag, 5. September 2009

Schnellesser

Als Maria neu in ihrer Firma war, ging sie mit den Kollegen ihrer Abteilung immer gemeinsam in der Kantine essen.
Zu Tisch wurde nicht groß palavert, sondern Nahrung zu sich genommen. Und auch wenn Maria sich bemühte, mit allen anderen mitzuhalten, so war ihr Tablett doch immer noch halb voll, wenn sie aus den Augenwinkeln sah, wie alle anderen ihr Besteck bereits niederlegten und sich mit der Serviette den Mund abrieben.
Sie wollte nicht unfreundlich sein, und auch wenn sie noch hungrig war, beendete sie ihr Essen und deutete den anderen an, dass sie bereit sei, aufzubrechen.
6 Monate, die Probezeit lang, wollte sie nicht aus dem Rahmen fallen und schloss sich weiterhin ihren Kollegen zum gemeinsamen Mittagessen an.
Weil es ihr um das Essen leid tat, dass sie jeden Tag wegwarf, nahm sie nach einer Weile nur noch so viel, wie sie in der knappen Zeit auch essen konnte. Zwar schrie ihr Magen sie jedes Mal an, und abends stürzte sie sich hungrig auf den Kühlschrank, jedoch ging ihre Taktik auf. Ihren Kollegen schien nichts aufzufallen. Auch nicht, dass sie trotz des recht guten Kantinenessens Monat für Monat Gewicht verlor.
Kaum war die Probezeit vorbei, suchte sie eine neue Gruppe. Sie fand weitere Leidensgenossen aus fernen Ländern, und zusammen gründeten sie so etwas wie den "Mittagstich der kommunikativen Langsamesser".