Samstag, 25. April 2009

Langnase putzen

Als Naoko noch in Japan wohnte, war sie es gewohnt, nie vor Leuten die Nase zu putzen. In der Schule war sie sogar extra in die Toilette gegangen, um sich zu schnäuzen. Wohlgemerkt hatte sie dies nicht am Waschbecken vorm Spiegel getan, sondern sich in einer Kabine eingeschlossen. So wie alle anderen Schülerinnen auch.
In Deutschland musste sie dann feststellen, dass das Nase putzen hier etwas lockerer gehandhabt wird, und man sich keineswegs scheut, denn Schnodder in aller Öffentlichkeit aus den Löchern zu pusten.
Mit der Zeit gewöhnte sich Naoko daran und begann schließlich selber, vor Publikum das Taschentuch zu ziehen.
Als sie eines Tages Japan besuchte, mit einer Freundin durch Tokyo lief, tat ihre Nase dasselbe und ohne groß nachzudenken holte sie ein Tempo aus ihrer Tasche. Als sich jedoch ihre Hand mit dem Tuch Richtung Nase bewegte, schrie ihre Freundin plötzlich leise auf und zerrte sie in eine kleine Nebenstraße, wo sie ihr dann ungesehen von anderen Japanern erlaubte, die Nase zu putzen. Kaum war sie fertig, schaute ihre Freundin sie an, schüttelte den Kopf und sagte: "Bist Du eine Deutsche geworden?".
Inzwischen ist es Naoko aber egal, und wenn sie nicht gerade in Japan ist, putzt sie sich überall die Nase. Entgegen der Befürchtung ihrer Freundin, scheint sie jedoch noch keine Deutsche geworden zu sein. Denn auch nach 15 Jahren in diesem Land, versteht sie bis heute nicht, warum die Deutschen beim Nase putzen so laut sein müssen, warum Nase putzen so klingen muss wie frenetische Posaunenstöße und warum es den Leuten nicht möglich ist, es ganz ohne Geräusch zu tun.

Samstag, 18. April 2009

Schild-Bürger: Draußen bleiben!

Was darf man hier alles nicht? Oder besser: Was darf man überhaupt?
Schauen wir genauer hin:
Rauchen? Nein.
Hunde? Nein.
Siegel? Nein.
Quallen müssen auch draußen bleiben.
Gleiches gilt für Kinderwagen.
Dafür dürfen Teekannen passieren.
Rollschuhe bei Mondschein und Fahrräder ohne Lenker jedoch nicht.
Benzinkanister? Nein.
Hände, die Wasser auffangen? Nein.
Koffer? Nein.
Radiorekorder? Nein.

Dann ist ja alles klar.

(Das ganze findet sich übrigens hier: Klick. Die deutsche Kultur hat also ihre Spuren hinterlassen.)

Sonntag, 12. April 2009

Die berührt alle Jungs!

Am Anfang fand Maria die Deutschen komisch. Einerseits schienen sie Angst davor zu haben, jemand anderes zu berühren, andererseits rückten sie einem bei einem Gespräch unglaublich nah auf die Pelle. Nicht dass sie den Kopf reckten, sondern der ganze Körper schien sie näher heranzuschieben. Eine mögliche Erklärung für Letzteres vermutete sie darin, dass die Deutschen in der Regel sehr leise sprachen und einfach näher zum Kopf des Gesprächspartners rücken mussten, um überhaupt verstanden zu werden.
Über die Berührungsängste machte sie sich hingegen keine Gedanken und benahm sich fröhlich so wie aus Portugal gewöhnt. In Gesprächen langte sie munter in Richtung der anderen, tippte Schultern an, griff nach Händen und zeigte auch sonst keinerlei Scheu vor Körperkontakt. Da dabei auch ab und zu ihre Hand nach erfolgter Berührung ihre Hand auf der ihres Nachbarn liegenblieb, fragte sie eine Freundin "Ist dir klar, dass du alle Jungs anfasst? Weißt du, was sie denken können?".
Nein, Maria wusste es nicht. Aber allmählich dämmerte ihr, wie sehr sie ihre berührungsfeindliche Umgebung in Verwirrung stürzte. Auch wenn es ihr schwerfiel, und sie bis heute immer wieder die ein oder andere Kontakt-Attacke erleidet, so begann sie doch, sich mehr und mehr zurückzuhalten.

Samstag, 4. April 2009

Der geht bei Rot!

Wenn Zhang einmal wieder mit der Familie in China ist, um Verwandte zu besuchen, bleibt er brav mit Frau und Tochter an der roten Ampel stehen. Man will den Kindern ja ein gutes Beispiel geben.
Soweit nichts Ungewöhnliches. Wenn man sich nun allerdings vorstellt, dass Zhangs Familie in diesem Moment die einzigen Menschen in ganz Shanghai sind, die ruhig an einer roten Ampel stehen, während um sie herum das Leben fröhlich wuselt, erhält man eine Vorstellung von der Absurdität des Bildes.
Zum Glück wurde der Tochter noch in Deutschland eingeschärft Deutsch zu sprechen, wenn ihr etwas besonderes auffällt. So wird manche Peinlichkeit vermieden, denn niemand versteht, wenn sie sich lautstark auf Deutsch darüber empört: "Der Mann da geht ja bei Rot rüber!"
Was Zhang hingegen erstaunt, ist, dass er sich plötzlich selber darüber ärgert, wenn sich Leute in China nicht an die Verkehrsregeln halten. Dabei hatte es ihn früher nicht die Bohne interessiert, ob ihn z.B. jemand auf der Autobahn von rechts überholt hätte.