Dienstag, 31. März 2009

Der 1. Tag

Dezember, Schnee, fünf Uhr abends. Es gibt sicher schönere Zeiten, um das erste Mal nach Deutschland zu kommen.
Im Internet hatte Fernando sich eine Karte ausgedruckt, die er nun dem Taxifahrer zeigte. Als dieser nur nickte und "Ich Bosnien" sagte, war klar, dass man keine gemeinsame Sprache sprach. Im Taxi brauste man dem Ziel entgegen. In der Nähe angekommen, fehlte die präzise Adresse, das Taxi fuhr einige Male im Kreis und da das Taximeter beständig stieg, bat Fernando den Fahrer zu stoppen.
Im Dunkeln, mit einem Koffer und einem enormen Rucksack machte er sich unter kräftigem Schneefall auf die Suche. Er fühlte sich ein wenig wie Scott oder Amundesen auf der Suche nach dem Südpol.
Schneller als gedacht kam er an dem gesuchten Institut an, nur um dort festzustellen, dass die Tür verschlossen war. Er klingelte und klopfte und kurz bevor er gehen wollte, öffnete eine Dame mit Kopftuch und Besen. Sie sagte nicht woher sie kam, doch wieder war klar, dass man keine gemeinsame Sprache sprach. Immerhin ließ sie ihn hinein. Er begann das Gebäude nach dem Professor abzusuchen, der ihn erwarten sollte. Nirgendwo las er den Namen und als plötzlich ein großer Mann in Anzug auftauchte und sich anschickte, das Gebäude zu verlassen, schöpfte er Hoffnung. Er fragte ihn, ob er seinen Professor kenne und erhielt als Antwort ein "Ja". Er fragte, ob er noch da sei, die Antwort war "Nein" und der Mann verschwand.
Verblüfft stand Fernando da als nur wenig später aus einer Tür ein kleiner Mann mit einer Bratpfanne erschien und sich ins Treppenhaus des Geologisch-Paläontologischen Instituts begab. Ein Myanmar wie sich herausstellte. Ein wenig Englisch konnte der Mann, und lettztlich konnte er Fernando helfen, sein eigentliches Ziel zu finden.
So begann sein Aufenthalt in Deutschland: mit viel Schnee und ganz ohne Deutsche.

Montag, 23. März 2009

Im Recht!

Die Schilder auf der Autobahn erinnern Umberto auch nach 10 Jahren immer wieder daran, dass er in der Fremde ist. Denn die Schilder sind blau und nicht wie in Italien (und jedem anderen Land) grün.
Hingegen hat er sich inzwischen daran gewöhnt, dass der Straßenverkehr in Deutschland extrem geregelt abläuft. Dennoch erstaunt es ihn immer noch, wie sehr die Autofahrer deswegen auf ihrem Recht bestehen und sich dieses immerfort nehmen. Jeder geht davon aus, dass die anderen sich genauso an die Regeln halten wie man selbst. Das Erstaunliche ist, dass es klappt und nicht im Minutentakt Unfälle gibt. Würde man es mit dieser Einstellung in Italien versuchen, man würde in kürzester Zeit im Krankenhaus aufwachen.
So rasen z.B. die Fahrer in Deutschland durch den Kreisverkehr und gehen einfach, davon aus, dass niemand plötzlich von der Seite hineinschießt. In Italien hingegen fährt jeder vorsichtig, da nicht damit zu rechnen ist, dass sich irgendjemand an die Regeln hält. Gleiches gilt in Rechts-vor-Links-Straßen. Die Logik des Systems will, dass wer hier rechts abbiegt, immer Vorfahrt hat. Auch auf diesem Recht wird in Deutschland bestanden. Flink, konsequent und ohne daran zu denken, dass ein irrer Italiener von irgendwoher angefahren kommen könnte.
Die Kinder lernen von ihren Eltern und benehmen sich im Straßenverkehr wie kleine Erwachsene. Sie lernen, dass man bei Rot an der Ampel stehen bleiben muss. Egal ob es tiefste Nacht ist, oder die Welt gleich untergeht.
Italiener würden so etwas nie ihren Kindern beibringen. Sie halten es sogar für falsch, die Kleinen auf Farbenlehre zu drillen. Sie sollen viel mehr lernen, darauf zu achten, ob die Straße frei ist, bevor sie queren (und erst recht, wenn es rot ist...). Denn wie sich an den deutschen Kindern schön beobachten lässt: Sobald die Ampel auf grün gesprungen ist, rennen die deutschen Kinder los. Nach links und rechts wird nicht mehr geguckt. Man ist ja im Recht und ob schon wieder der irre Italiener angerast kommt, merken sie erst, wenn er sie über den Haufen fährt.

Sonntag, 15. März 2009

Schild-Bürger: Schilderwand


Wer in diese Straße einbiegen möchte, muss vermutlich zunächst einmal anhalten, um die sich vor ihm aufbauende Schilderwand zu verarbeiten. Es stellen sich Fragen:
Welches Schild sticht welches?
Bezieht sich "Anlieger frei" nur auf Autos und Motorräder (letztere übrigens ohne Helm). Und dürfen Fahrzeuge von Anliegern mehr als 5.5 Tonnen wiegen?
Dürfen auch Fußgänger nur in die Straße, wenn sie Anlieger sind?
Und was, wenn ein Passant mehr als 5.5 Tonnen auf die Waage bringt?
Dürfen Kinder auf der Straße spielen? Macht es einen Unterschied, ob man ein Anliegerkind ist oder nicht?
Ist die Anordnung der Schilder von Bedeutung? Muss man also die Schilder in einer bestimmten Reihenfolge lesen, um die logische Verknüpfung zu verstehen?
Man weiß es nicht.

Samstag, 14. März 2009

Wann gehst Du zurück?

Nach einer Weile kannte Zhang das Spiel. Wenn er jemanden neues kennen lernte, gab es stets die folgenden 4 Standardfragen:
  • 1. Wie heißt du?
  • 2. Woher kommst du?
  • 3. Was machst du?
  • 4. Wann gehst du zurück?
Die ersten Male beantwortete er brav und höflich das Wie-Woher-Was, nur beim "Wann gehst Du zurück?" musste er immer schlucken und denken "Was heißt 'zurück', ich bin doch gerade erst hier angekommen!? Wollen die, dass ich wieder gehe?".
Wie unhöflich. In China würde sich niemand wagen, einem Fremden, einem Gast im Land, diese Frage zu stellen.
Doch mit der Weile gewöhnte sich Zhang daran, zimmerte sich eine Standard-Entgegnung auf Frage 4 und antwortete freundlich lächelnd und ohne zu zögern.

Montag, 9. März 2009

Unmöbliert

Erst ein paar Tage in Deutschland musste Fernando sich auf Wohnungssuche begeben. Da er außer "Guten Tag" kein Wort Deutsch sprach, begann ein kleines Abenteuer.
Zunächst musste er sich die von kryptischen Abkürzungen durchsetzten Kleinanzeigen in der Zeitung übersetzen lassen.
Dann begann er die Inserenten anzurufen. Da die Menschen am anderen Ende der Leitung selten Englisch sprachen, endeten die meisten Gespräche nach kurzer Zeit mit einem "Klick".
Irgendwie schaffte er es trotzdem, einige Besichtungstermine zu vereinbaren. Doch was er zu sehen bekam, schockte ihn: Die Zimmer waren leer! Vier Wände, Boden, Decke - sonst nichts!!! "Wo soll ich meine Sachen unterbringen? Wo soll ich mich hinlegen?", schoss es ihm voller Panik durch den Kopf.
Es beruhigte ihn wenig, dass seine Gesprächspartner bei jeder Besichtigung dann auch noch von "Kaution" sprachen, nicht recht erklären konnte, was das ist und ihm nur das englische "Caution" als Erklärung in den Sinn kam.
Da alle Wohnungen leer waren wie verlassene Höhlen und über allen das alarmierende Wort Kaution schwebte, entschied er sich letzten Endes für eine Wohnung, bei der er wenigstens das Gefühl hatte, mit den anderen Bewohnern kommunizieren zu können.
So erfuhr er dann auch bald die wahre Bedeutung von Kaution und unmöbliert und verstand, dass Letzteres im Gegensatz zu Spanien der Normalfall in Deutschland war.

Sonntag, 1. März 2009

Wurstköpfe und Käsfresser

Jeder Holländer weiß, dass die Deutschen in Holland das Land des Käses sehen und die Einwohner auch gern einmal als Käsköpfe bezeichnen. Deswegen erstaunt es Jan bis heute, dass kaum ein Deutscher weiß, dass Holländer in Deutschland das Land der Würste sehen. Ein Land, in dem es alle möglichen und unmöglichen Arten von Würsten gibt und wo weder ein Fußballspiel noch eine Grillabend ohne Würste denkbar sind.
Regelmäßig können holländische Leser staunend in ihren heimischen Zeitungen lesen, wie sich bei ihren Nachbarn in jedem noch so kleinem Dorf irgendwo eine Bude findet, wo Wurst mit Pommes gegessen werden kann oder dass Wurst mit Kartoffeln sogar Heiligabend bei jeder dritten Familie auf dem Weihnachtstisch landet.
Amüsiert lesen sie weiterhin, dass es in Deutschland regelmäßig Wahlen zur besten Currywurstbude gibt, dass der Currywurst nicht nur ein Lied gewidmet wurde, sondern dass in Berlin 2009 das erste Currywurstmuseum die Tore öffnen soll (Motto des Museums "Die Currywurst gehört zu Berlin wie das Brandenburger Tor").
Viele Würste leiten ihre Namen von ihrer Ursprungsstadt ab. Dass es nicht nur Frankfurter, Regensburger, Braunschweiger, Thüringer, sondern auch Wiener und Krakauer gibt, deutet darauf hin, dass Würste in Deutschland eine lange Tradition haben.
Die schiere Vielfalt der verschiedenen Würste hat einen Spaßmacher dazu veranlasst, einen Wurstkoffer zu bestücken, der sich in Holland großer Popularität erfreut.
Doch nicht genug: Die holländische Punkband De Heideroosjes haben es sich nicht nehmen lassen, zum Zwecke der Völkerverständigung das Lied "Wurst & Käse" zu veröffentlichen.
Jan hatte schon recht schnell die immense Bedeutung der Wurst für die Deutschen erkannt. Und wenn einer seiner deutschen Freunde dies bezweifelte, überzeugte er diesen im Handumdrehen durch die Erwähnung zweier entscheidender deutscher Redewendungen: Bei Entscheidungen von enormer Tragweite "geht es um die Wurst" und wenn einer Person etwas völlig egal ist, dann "ist es ihr wurscht".