Donnerstag, 31. Dezember 2009

Nichts passiert

Decebal hatte auf die falsche Ampel geschaut, fuhr an und bremste zu spät. Es gab einen sanften Schlag als er vor sich auf den 12 Jahre alten Kleinwagen von Renault auffuhr.

Man stieg aus und betrachtete gemeinsam die Stoßstangen der beiden Wagen. Nichts zu sehen, keine Beule, kein Kratzer, nichts.
Decebal wollte schon weiterfahren, als die Fahrerin des anderen Wagens ihn zurückhielt und sagte, so ginge das doch nicht. Auch wenn nichts zu sehen sei, so könne doch das Chassis verzogen oder ein anderer nicht sichtbarer Schaden entstanden sein.
Es nützte nichts, dass er ihr erklärte, Stoßstangen seien genau für den Zweck gebaut, dass eben dies nicht passiere. Sie ließ nicht ab, bestand darauf, dass er ein Papier mit Schuldeingestädnis unterschriebe und sie den Schaden begutachten lasse. Decebal wies sie darauf hin, daß sie bei einem negativen Befund den Gutachter selber bezahlen müsse.
So ginge es aber nicht, ließ die Renault-Fahrerin Decebal erneut wissen und bestand nun darauf, die Polizei zu rufen. Diese kam nach zirka einer Stunde, und zwei Beamte begannen, die beiden Wagen kurz zu untersuchen - mit dem "überraschenden" Ergebnis, dass nichts passiert sei.
Um den Formalitäten genüge zu tun, dokumentierten sie noch ausführlich den Unfallverlauf und nahmen die Personalien aller Anwensenden auf.
Zurück im Auto dachte Decebal "Warum kann ich nicht in einem der 98% Länder wohnen, wo man sich nach solch einem Unfall mit 'Idiot' anschreit, dann weiterfährt, und die ganze Sache noch am selben Tag vergisst?"

Sonntag, 20. Dezember 2009

Schild-Bürger: Tanzverbot II


Wichtig, nicht vergessen: Weihnachten darf nicht getanzt werden. Wer dennoch dabei ertappt wird, wie er neben dem Tannenbaum die Beine schwingt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen (bis zu 7 Jahre Tanzverbot).

Ebenso erwähnenswert: In der Nacht zum 1. Januar müssen Restaurants nicht um 1:00 schließen. Wunderbar, lange aufbleiben an Silvester - ein Menschheitstraum geht in Erfüllung. Die Regelungen gilt übrigens nicht für Sündenpfuhle wie Hamburg oder Köln.

Sonntag, 13. Dezember 2009

Freundliche Verkäufer

Nicoletta wundert sich bis heute, wenn Amerikaner ihr ezählen, wie unglaublich unfreundlich Verkäufer in deutschen Geschäften seien.
Als sie Anfang der 90er Jahre aus Rumänien nach Deutschland kam, erschien es ihr genau umgekehrt. Die Verkäufer machten auf sie einen extrem freundlichen Eindruck.
Es kam ihr so fremdartig vor, dass sie daran zweifelte, dass das Verhalten echt sei, und sie Anfangs glaubte, die Verkäufer würden für sie Theater spielen.
Aus Rumänien war sie es nicht gewohnt, angeschaut, geschweige denn freundlich begrüßt zu werden. Dort lief eine Beratung im Fachgeschäft wie folgt ab:
"Was wollen sie?"
"Haben sie A?"
"Nein."
"Haben sie B?"
"Haben wir nicht."
"Haben sie C?"
"Nein!"
"Haben sie D?"
Rumms - und D wurde auf die Theke geknallt.

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Im Land der Barbaren

Als Veronika von Wien nach Berlin zog, schockierte sie ihr neues Zuhause mit zwei Dingen: Direktheit und Monstrosität.
Die Architektur Berlins erschlug sie mit ihrer klotzigen Disharmonie. Alles war groß, die Häuser wie wahhlos zusammengewürfelte Blöcke, nichts schien zueinander zu passen.
Vergeblich suchte sie Gassen oder gar Gässchen. Auch die kleinsten Straßen kamen ihr vor wie der Wiener Gürtel, wie mächtige Alleen.
Fern in der Heimat war sie es gewohnt, dass die Dinge herausgeputzt sein mussten - dass wenigstens die Fassade etwas hergeben musste, selbst wenn darunter alles morbid und zerfallen sein mochte.
Das einzige, was zu all dieser Disharmonie zu harmonieren schien, war die Direktheit der Leute. In Österreich redete man um den heißen Brei herum, sagte nicht, was man sagen wollte, legte viel Wert auf die Feinheiten der Sprache.
In Berlin hingegen kamen die Leute ohne Umweg zum Punkt. In der ersten Zeit war ihr, als würden ihr die Antworten der Berliner wie Peitschenhiebe ins Gesicht schlagen.
Es gab kaum ein Danke, kaum ein Gerne und keine Floskeln. Sie hatte das Gefühl, inmitten eines unerzogenenen Volkes, bei Barbaren gelandet zu sein, und wenn sie sich umschaute und den Menschen lauschte, so war ihr als schlügen sie mit Äxten aufeinander ein. Passte jemanden etwas nicht, so wurde nicht lange gefackelt, sondern ohne Umschweife verbal drauf gehauen.
Es dauerte eine Weile, bis sie erkannte, dass manch Schroffheit nicht als solche gemeint war, und auch der Berliner ab und an zu Liebenswürdigkeiten neigte.

Freitag, 27. November 2009

Die Rückkehr der Weihnachts-Unterhosen

Alle Jahre wieder...
Schon hängen sie da und leuchten prächtig: Die allseits beliebten Weihnachtsunterhosen in Heidelberg (s.a. Link).

Sonntag, 22. November 2009

Misstrauisch

Als Francisca vor vielen Jahren von Chile nach Deutschland kam, musste sie sich vom Frankfurter Flughafen nach Marburg durchkämpfen.
Es gab damals kein Internet, und somit hatte sie keine Karten, Fahrpläne oder sonstige Ausdrucke, die ihr das Leben erleichtert hätten.
So stand sie da, mit ihren beiden Koffern, in denen all ihre Habseligkeiten verstaut waren.
Völlig angespannt, jederzeit damit rechnend, dass ihr jemand die Koffer stahl oder sie überfiel, schaffte sie es irgendwie, am Ende in Marburg anzukommen.
Selbst dem freundlichen Taxifahrer, der sie in seinem neuen Auto die letzte Strecke fuhr, misstraute sie, war darauf vorbereitet, dass er gleich falsch abbog oder zu viel Geld von ihr verlangen würde.
Nichts von all dem geschah, und sie war fast erstaunt, dass sie am Ende des Tages ihr Ziel erreicht hatte, ohne dass sie überfallen oder ihr für Dienstleistungen Unsummen abgeknöpft worden waren.
Heute, nach all den Jahren ergeht es ihr ganz anders: Kaum kehrt sie aus der Ferne nach Deutschland zurück, entspannt sie sich und fühlt sich sicher wie nirgends sonst.

Montag, 16. November 2009

Schild-Bürger: Tanzverbot

Ganz wichtig:
Am 15. und 22. November auf keinen Fall tanzen! Das ist verboten!!!
Alles andere ist erlaubt (z.B. Karate, Fallschirmspringen, Rodeo, auf der Straße pfeifen).
Ach so, der 15.11. ist schon vorbei. Ich hoffe, Sie haben sich an diesem Tag nicht illegal verhalten und an einer geheimen Tanzunterhaltung teilgenommen. Schneller als man denkt, landet man in Deutschland im Gefängnis.
Und um der Frage voraus zu kommen: Der Artikel stammt tatsächlich aus dem Jahr 2009.

Samstag, 14. November 2009

Schweinefraß

Das Essen in Deutschland war merkwürdig. Irgendwie fad, und dann roch es auch noch seltsam.
Dass ihr das Essen in Deutschland nicht schmecken würde, war das Letzte, mit dem Nicoletta gerechnet hatte.Die erste Woche in Deutschland verbrachte sie in einem Aussiedlerlager. Einkaufen konnte sie nicht, da sie nur Lebensmittelmarken besaß und mit denen konnte sie nur im Laden nebenan einkaufen. Dort gab es nur Pumpernickel, Vollkorn- und Schwarzbrot und andere eklige Sachen.
Jahre später verstand sie, dass die Leute dort wahrscheinlich nur das Beste wollten als sie ihr gutes, gesundes Vollkornbrot und Schwarzbrot anboten. Nicoletta hingegen konnte die Bissen nur mit Mühe herunterwürgen. Sie war feines Weißbrot gewohnt und von schwarzem Brot wusste sie nur, dass man damit in Rumänien die Schweine fütterte.
Sie machte sich ernsthaft Sorgen wie sie in ihrer neuen Heimat überleben sollte.
Die Sorgen wurden noch größer, als sie danach übergangsweise in einem Gasthof untergebracht wurde. Die Teller, die aus der Küche kamen, gingen oft unangerührt, meist nur halb angenagt zurück.
Das ging soweit, dass eines Tages der Koch an seinen Künsten zweifelnd aus der Küche kam und die Neuankömmlinge fragte, was in aller Welt er denn tun könne, damit sie seine Speisen essen. Zusammen sprach man über Gewürze, Brot, simple Zutaten, und letztlich stellte er fest, dass seine Gäste gar nicht so anspruchsvoll waren wie gedacht und mit Toast Hawaii und Spiegeleiern zufrieden zu stellen waren.

Mittwoch, 4. November 2009

Samba & Sauerkraut

Viele Dinge haben sich für Luiza geändert, seit sie vor 10 Jahren aus Brasilien nach Deutschland kam.
Doch als Konstante über all die Zeit sind die Fragen geblieben, die die Deutschen an sie richten.
Es müssen hunderte Male gewesen sein, dass sie gefragt wurde "Warum bist du denn nach Deutschland gekommnen? In Brasilien ist es doch schön und warm!?"
"Kannst du Samba tanzen?" lautet die zweit häufigste Fragen, und Luiza schaut in erwartungsvolle Augen, für die gar kein Zweifel darüber zu bestehen scheint, dass sie gleich loshüpft und die grauen Straßen Deutschlands im Alleingang in einen rauschenden Sambódromo verwandelt. Um so enttäuscher sind die Fragenden, wenn Luiza ihnen lediglich mit einem "Na ja, geht so" antwortet.
Als Quittung erhält sie im Anschluss oft den Kommentar, dass sie sowieso überhaupt nicht wie eine Brasilianerin aussähe, sondern eher wie eine Osteuropäerin. Und wenn das alles noch mit der Frage "Was machst du eigentlich hier in Deutschland?" gekrönt wird, entgegnet Luiza in aller Regel "Ach, ich bin gekommen, um Sauerkraut und Kartoffeln zu essen".

Samstag, 24. Oktober 2009

Guter Stuhl

Patrícia lernte viel bei ihren Arztbesuchen. Vor allem, dass es im Deutschen seltsame Wörter für Krankheiten, Körperteile und alles andere, was mit Medizin zu tun hatte, gab.
So saß sie eines Tages in einer Praxis einem Endokrinologen gegenüber. Als dieser ihren Namen las, fragte er sie, wo sie denn herkomme, was sie in Deutschland mache, wie es ihr hier gefalle.
Sie sprachen locker über dies und das, als er plötzlich eine Pause machte, sie etwas ernster anblickte und fragte "Wie ist ihr Stuhl?".
Patrícia, dachte kurz nach und antwortete ganz freundlich "Danke, sehr bequem."
Das war die Wahrheit. In jedem Sinne.

Samstag, 17. Oktober 2009

Schild-Bürger: Nocowanie

Na klar, was sonst?
(Übersetzung in etwa: "Übernachten auf dem Parkplatz verboten" - soll das heißen, dass Leute, die Deutsch sprechen, nicht auf diese Idee kommen?)

Montag, 12. Oktober 2009

Zuhause ist, wo das Herz gerade ist

Was bestimmt, wohin man gehört: der Geburtsort oder die Abstammung? SPIEGEL-ONLINE-Südasienkorrespondent Hasnain Kazim, selbst ein Einwandererkind, berichtet über den schwierigen Spagat zwischen Altländer Zitronenkuchen und indischem Nationalstolz.

Spiegel-Artikel (2009-10-12)

Samstag, 10. Oktober 2009

Zebrastreifen

Es dauerte Monate bis Nicoletta sich daran gewöhnt hatte.

Natürlich gab es auch in Rumänien Zebrastreifen. Allerdings war der Zebrastreifen in Rumänien oft reine Dekoration, ein hübsches Streifenmuster, um die Straßen ein wenig abwechslungsreicher zu gestalten.
Wenn man eine Straße überqueren wollte, war es völlig egal, ob es einen Zebrastreifen gab oder nicht. Rüber kommen hieß: um sein Leben rennen; nichts anderes.
Völlig irritiert stand sie deswegen in Deutschland am Straßenrand und musste sehen, dass Autos tatsächlich am Zebrastreifen hielten. Und zwar alle und nicht nur besonders freundliche Fahrer.
Wollte man sie auf den Arm nehmen? Nur zögerlich, mit festen Blick auf das Auto begann sie die Straße zu überqueren, immer bereit zum Sprung anzusetzen, wenn das Auto plötzlich losschnellen sollte.
Sie musste die Übung einige Dutzend Male exerzieren, ehe sie verstand, dass nichts passieren würde, und sie ganz entspannt den Zebrastreifen überqueren konnte.

Samstag, 3. Oktober 2009

Im Reich der Finsternis

Francisca genießt die Sonne, wenn sie zu Hause in Chile ist.
Jedes Jahr im Winter verläßt sie für ein paar Wochen Deutschland, um ihre Familie und Heimat zu besuchen. Es ist als fahre sie vom Reich der Finsternis ins Reich des Lichts.
Ihre Stimmung hebt sich sofort, und jeden Tag freut sie sich aufs Neue, die Sonnenstrahlen in ihrem Gesicht zu spüren.
Kaum aufgestanden schaut sie aus dem Fenster, sieht den blauen Himmel und ruft sich selbst ein "Ach, wie ist das herrlich zu!".
Von ihrer Familie wird das bleiche Mädchen voller Mitleid angeschaut. Welch schreckliche Zeit muss die Arme den Rest des Jahres in Deutschland wohl durchmachen?
Und so nehmen sie es inzwischen gelassen hin, wenn um die Mittagszeit die Sonne auf die Erde brennt, alle Menschen sich in den Schatten geflüchtet haben, eine beschwingte Francisca durch ihre Zimmer stürmt und mit Elan die Vorhänge aufreißt, um die Sonne ins Haus zu lassen.
Soll sie ruhig Wärme tanken, ehe sie ins dunkle, arktische Deutschland zurückkehrt.

Sonntag, 27. September 2009

Sich frei machen

Nachdem die Physiotherapeutin Patrícia ins Behandlungszimmer begleitet hatte, ging sie noch einmal heraus, um kurz etwas nachzuschauen. Beim Herausgehen rief sie Patrícia ein "Machen sie sich frei" zu.
Es war noch nicht allzu lange her, dass Patrícia aus Portugal nach Deutschland gezogen war. Sie verstand zwar, was die Dame gesagt hatte, wusste aber dennoch nicht, was sie tun sollte.
Nun saß sie mutterseelenallein in einem Zimmerchen in Deutschland. Was in Gottes Namen sollte sie frei machen? Die Seele, die Gedanken? Sollte sie sich also entspannen und so Geist und Körper auf die Therapie vorbereiten? Oder sollte sie sich schlicht und einfach entkleiden?
Letzteres erschien ihr ein wenig risikoreich. Wie sähe es denn aus, wenn die Dame zurückkäme, und sie läge nackt auf der Pritsche?
Also entschied Patrícia sich fürs Entspannen. Sie setzte sich auf die Liege, ließ die Beine locker hängen, schloss die Augen und atmete tief ein und aus.
Die Entspannung endete jäh, als eine gänzlich unentspannte Therapeutin vor ihr stand und ihr mit großen Augen ins Gesicht sprach "Habe ich nicht gesagt, sie sollen sich ausziehen!?"
Seit diesem Tag weiß Patrícia, was freimachen bedeutet…

Samstag, 19. September 2009

Stopp, Geld her!

Aus den Läden in Timisoara kannte Nicoletta damals nur Körbe, Einkaufswagen hingegen sah sie das erste Mal in Deutschland.
Als sie mit ihrer Mutter zum ersten Mal auf den Eingang eines Supermarktes zuging, sahen sie, wie die Leute Einkaufswagen holten und zurückbrachten. Ein wenig unsicher blieben die beiden vor dem Unterstand für die Wagen stehen als eine Frau auf sie zukam und fragte, ob sie ihren Wagen haben wollten. Natürlich wollten sie, also bedankten sie sich, nahmen den Wagen und fuhren zielstrebig Richtung Eingang. Doch kaum dass sie los marschiert waren, hörten sie die Frau hinter sich rufen. Irritiert blickten sie sich um und vernahmen, dass die Dame eine Mark für das Überlassen des Einkaufswagens haben wollte. "Warum sollen wir ihr etwas für den Wagen zahlen? Die spinnt doch! Wo sind wir denn hier gelandet?", dachten beide.
Als die Frau verstand, dass sie hier mit Leuten zu tun hatte, die noch nicht allzu lange im Land waren, klärte sie Nicoletta und ihre Mutter auf, was es mit der Mark für den Einkaufswagen auf sich hatte.
Noch nicht ganz überzeugt von den seltsamen Regeln des neuen Landes gaben sie der Dame schließlich eine Mark und machten sich an den Einkauf.

Samstag, 12. September 2009

Schild-Bürger: Kein Trinkwasser!

Da es vermutlich jahrelang immer wieder Verwechslungen gegeben hatte, entschloss sich das Museum, über den Urinalen Hinweisschilder anzubringen (aufs Bild klicken).

Samstag, 5. September 2009

Schnellesser

Als Maria neu in ihrer Firma war, ging sie mit den Kollegen ihrer Abteilung immer gemeinsam in der Kantine essen.
Zu Tisch wurde nicht groß palavert, sondern Nahrung zu sich genommen. Und auch wenn Maria sich bemühte, mit allen anderen mitzuhalten, so war ihr Tablett doch immer noch halb voll, wenn sie aus den Augenwinkeln sah, wie alle anderen ihr Besteck bereits niederlegten und sich mit der Serviette den Mund abrieben.
Sie wollte nicht unfreundlich sein, und auch wenn sie noch hungrig war, beendete sie ihr Essen und deutete den anderen an, dass sie bereit sei, aufzubrechen.
6 Monate, die Probezeit lang, wollte sie nicht aus dem Rahmen fallen und schloss sich weiterhin ihren Kollegen zum gemeinsamen Mittagessen an.
Weil es ihr um das Essen leid tat, dass sie jeden Tag wegwarf, nahm sie nach einer Weile nur noch so viel, wie sie in der knappen Zeit auch essen konnte. Zwar schrie ihr Magen sie jedes Mal an, und abends stürzte sie sich hungrig auf den Kühlschrank, jedoch ging ihre Taktik auf. Ihren Kollegen schien nichts aufzufallen. Auch nicht, dass sie trotz des recht guten Kantinenessens Monat für Monat Gewicht verlor.
Kaum war die Probezeit vorbei, suchte sie eine neue Gruppe. Sie fand weitere Leidensgenossen aus fernen Ländern, und zusammen gründeten sie so etwas wie den "Mittagstich der kommunikativen Langsamesser".

Montag, 31. August 2009

Planungssicherheit

Nach 15 Jahren in Deutschland dachte Giorgi, dass ihn eigentlich nichts mehr vom Hocker hauen könne.
Doch als er letzte Woche eine E-Mail von einem Freund weitergeleitet bekam, musste er lernen, dass er inzwischen zwar sehr, aber eben noch nicht 100% integriert ist.
In der E-Mail beriet eine Gruppe Deutscher, wie sie ihr 20-jähriges Schuljubiläum organisieren sollten. Es ging recht konkret zur Sache. Erste Aufgaben wurden verteilt, mögliche Programme besprochen, Lokalitäten gesucht.
Es war August, die Feierlichkeit sollte Anfang Juli stattfinden.
Von Deutschland geschliffen, hätte Giorgi selber solch ein Zusammenkommen nun nicht mehr wie für einen Georgier üblich 3 Wochen vorher einberufen, sondern 6 Monate vorher.
Da er die Deutschen jedoch als Menschen kennengelernt hatte, die extrem planungsfreudig und fähig sind, auch lange voraus geplante Termine peinlichst einzuhalten, schockte es ihn nicht, dass die Feier fast ein Jahr im Voraus geplant wurde.
Bevor er die E-Mail schloss, flog er noch einmal über ihren Inhalt und blieb plötzlich bei der Zahl 2011 hängen. Er starrte auf die Zahl, die immer größer zu werden schien und schrie "Was???".
Er musste erkennen, dass hier nicht 1 Jahr, sondern 2 Jahre im Voraus geplant wurde. "Da kann ja nichts mehr schief gehen. Werden die jetzt als nächstes beim Restaurant anrufen und einen Tisch reservieren?".
In diesem Augenblick wurde ihm klar, dass er immer noch nicht ganz in der deutschen Gesellschaft angekommen war. Er seufzte, schloss die E-Mail und öffnete die Nachrichten-Seite des georgischen Rundfunks.

Montag, 24. August 2009

Die Autobahn im Wald

Decebal war noch nicht lange in Deutschland. Nachdem er 18 Jahre in Rumänien gelebt hatte, lief er die ersten Wochen mit großen Augen durch Deutschland.
Was ihm am meisten beeindruckte, waren die Autobahnen.
Nein, nicht die vielen Autos, die vielen Mercedes oder der perfekte Belag. Was Decebal faszinierte, waren die endlosen Wälder, durch die hindurch die Autobahnen geschlagen waren. Egal wohin sie fuhren, stets sah Decebal links und rechts der Autobahn dichte Baumreihen stehen.
Welch endlose Wälder musste Deutschland haben? Nicht wie diese rumänischen Wälder, die er kannte - Wälder, die immer wieder von Kartoffeläckern und Dörfern unterbrochen wurden.
Es dauerte eine Weile und etliche Ausfahrten, bis er begriff: Deutschland hatte ihn an der Nase herum geführt. Meist waren es keine Wälder, durch die die Autobahnen führten. Es waren lediglich auf beiden Seiten Bäume und Sträucher als Sicht- und Schallschutz gepflanzt worden.
"Potemkinsche Forste", dachte er und fühlte sich gleich ein Stück mehr zu Hause.

Montag, 17. August 2009

Sparen Sie Energie!

Francisca war es nicht mehr gewohnt, dass in Chile überall und jederzeit ein Fernseher läuft.
Als sie eines Tages alleine im Wartezimmer eines Arztes saß, auf Ruhe gehofft hatte, aber auch dort aus einer Ecke der Fernseher auf sie einschwätzte, warf sie den Arzthelferinnen einen genervten Blick zu und fragte diese "Gucken Sie überhaupt, was dort läuft? Das ist doch eine unglaubliche Energieverschwendung!"
Doch kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, wollte sie sich am liebsten die Zunge abbeißen. Was hatte sie gesagt!? Wie anmaßend von ihr, sie konnte den Leuten hier doch nicht vorschreiben, was sie zu machen haben.
"Ich benehme mich ja wie eine Deutsche!", fuhr es ihr durch den Kopf, "Ich versuche den Leuten vorzuschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben".
Wie hatte sie dieses Verhalten, diese lauten oder manchmal leisen, aber immer gut hörbaren Kommentare am Anfang in Deutschland gehasst.
Die Arzthelferinnen sahen sich entgeistert an und eine löste die Spannung, indem sie Francisca betont freundlich Bescheid gab, dass sie nun in das Behandlungszimmer eintreten könne. Dort gab es keinen Fernseher, keine sichtbare Energieverschwendung und nichts zu meckern.

Sonntag, 9. August 2009

Schild-Bürger - Saubere Hähnchen

Saubere und technisch einwandfreie Hähnchen.

Montag, 3. August 2009

Arme Leute

Als Naokos Mutter sie das erste Mal in Deutschland besuchte, reisten die beiden per Zug durch Deutschland.
Immer wieder sahen sie auf ihren Fahrten durchs Land Grundstücke mit kleinen Häusern am Rande der Gleise. Irgendwann schließlich fragte die Mutter Naoko, wer denn in diesen Häusern wohne. Naoko hatte keine Ahnung, und so sagte sie ihrer Mutter das für sie Naheliegenste: "Vermutlich arme Leute".
Doch je länger sie darüber nachdachte, und je mehr Häuser sie sah, desto unwahrscheinlicher kam ihre ihre Theorie vor, sahen die Häuser und Gärten doch alle sehr gepflegt aus.
Es dauerte noch eine Weile, bis sie von einem Deutschen erfuhr, dass es sich nicht um Slums entlang Gleise, sondern um Schrebergärten handelte.
Doch wie sollte sie auch auf diese Idee kommen? Zwar gibt es in Japan viele Familien, die ihr eigenes Reisfeld haben, allerdings liegt dies vor der Stadt, hat weder Hütte noch Gartenzwerge, und niemand kommt auf die Idee, sich sonntags zum Grillen mit Freunden vors Reisfeld zu setzen.

Sonntag, 19. Juli 2009

Warum in aller Welt Deutschland!?

Wenn Nuno zu Hause in Portugal erzählt, dass er in Deutschland lebt, schauen ihn die Leute mitleidig an.Dann heißt es "Was machst du denn da? Wie zum Teufel verbringst du dort deine Wochenenden?"
Für die Menschen in Portugal ist Deutschland das Sinnbild für Arbeit und Technik. Dass es dort auch Lebensqualität gibt, oder man gar Spaß haben könnte, kommt ihnen nicht in den Sinn.
So sind Nunos Gesprächspartner stets überrascht, wenn er ihnen erzählt, dass man im fernen Alemanha durchaus viel unternehmen, ein recht angenehmes Leben haben kann und dort eben nicht nur hingeht, um zu arbeiten.
Deutsche Sehenswürdigkeiten oder deutsche Kultur sind den meisten Portugiesen völlig unbekannt. Fast niemand hat dort je etwas von Neuschwanstein oder Heidelberg gehört.
Beim Gedanken an Deutschland minus Arbeit fällt den Portugiesen höchstens Wurst & Bier oder das Oktoberfest ein (seit kürzerem eventuell auch noch Schweinsteiger).
Für Nuno liegt das Besondere am Leben in Deutschland nicht nur darin, dass man entgegen aller Vorurteile viel sehen und unternehmen kann, sondern dass man auch die Zeit dafür hat, diese Dinge zu genießen. Ganz im Gegensatz dazu hat eine Stadt wie Lissabon unendlich viel zu bieten, aber die Menschen die dort wohnen, verbringen die meiste Zeit am Arbeitsplatz und im Stau und können oft nichts von all dem wahrnehmen, was die Stadt ihnen anbietet.

Freitag, 3. Juli 2009

Zu Hause in der Schlange

Als Abu El-Sud nach langer Zeit einmal wieder zu Hause in Palästina war, musste er seinen Pass verlängern lassen.
Sein Vater begleitete ihn mit zur Behörde. Dort angekommen, setzte sein Vater sich auf eine Bank am Rand des Ganges, während Abu El-Sud sich wie aus Deutschland gewohnt, am Ende der Schlange anstellte.
Nach einer Weile musste er feststellen, dass inzwischen zwar viele neue Gesichter auf der Behörde erschienen waren, er sich aber keinen Meter bewegt hatte. Das einzige, was passiert war, war dass die Schlange vorne breiter geworden war.
So stand er noch eine zeitlang am Ende der Schlange, wippte vom einen Bein auf das andere und beobachtete wie der Kopf der Schlange kontinuierlich anschwoll. Als er sich schließlich freundlich zeigen wollte und zwei ältere Damen, die gerade angekommen waren, vorließ, hielt es seinen Vater nicht mehr auf der Bank. Er stürzte auf ihn zu und rief "Junge, bist du blöd? Was machst du hier? Wo in aller Welt hast du das gelernt? So kriegst du Deinen Pass nie verlängert!"

Samstag, 27. Juni 2009

Pommes nur für Kinder

Sie waren schon spät dran als Larry sich mit einigen Freunden im Biergarten auf dem Marktplatz traf.
Dennoch wollten sie noch schnell etwas essen, um nicht mit leeren Magen zur Abschiedsfeier eines gemeinsamen Freundes zu gehen.
Die meisten bestellten etwas schnelles wie einen Salat oder ein Sandwich. Larry wollte etwas Warmes essen und stieß beim Blättern in der Speisekarte auf die Kindersektion. Dort gab es eine Portion Pommes Frites, genau das, auf das Larry Lust hatte.
Leider hatte er die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn als er die Pommes Frites ordern wollte, weigerte sich die Bedienung beharrlich, die Bestellung aufzunehmen.
Da der Pommes-Teller nur für Kinder sei, könne er ihn nicht bestellen. Er versuchte noch eine Weile zu verhandeln, bot sogar an, mehr zu zahlen, gab aber schließlich auf und sah ein, dass es keinen Sinn hatte, gegen die Regeln verstoßen zu wollen. Denn lieber verkaufte man ihm gar nichts als eine exklusiv für Kinder konzipierte Portion Pommes Frites.
Larry schloss die Augen und träumte von Australien.

Freitag, 19. Juni 2009

Deutscher Spargel

Als Naoko noch in Japan wohnte, aß man nur grünen Spargel, weißen Spargel hingegen kannte man lediglich aus der Dose.
Anders als in Deutschland gilt Spargel nicht als etwas Besonderes. Es ist lediglich eines von vielen Gemüsen, das es nur zu einer bestimmten Saison gibt.
Ohne jemals Gelegenheit gehabt zu haben, Spargel in Deutschland zu probieren, war Naoko dennoch fasziniert von dem Kult, der in Deutschland um Spargel gemacht wird. So kaufte sie für ihren ersten Flug zurück nach Japan ein Pfund Spargel und präsentierte die exotischen Stangen stolz zu Hause.
Wie in Japan üblich, wurde der Spargel gekocht und mit einigen Beilagen eines abends am Tisch der Familie präsentiert. Hungrig legte sich jeder einige Stangen auf den Teller, und man begann zu essen. Zunächst sagte niemand etwas, aber als jeder sah wie auch die anderen minutenlang den Spargel im Mund hin- und herschoben, bevor sie ihn schluckten, einigte man sich darauf, dass der deutsche Spargel eigentlich ganz gut sei, wenn er nicht so furchtbar holzig sei.
Dass man weißen Spargel schälen muss, lernte Naoko während der nächsten Saison in Deutschland.

Sonntag, 14. Juni 2009

Schild-Bürger: Rückenschule

They certainly produce and offer backs in that little factory? Right...

Sonntag, 7. Juni 2009

Herpes

Victoria war noch frisch in Deutschland und kämpfte mit der Sprache als ihre Klassenkameradin Stefanie ihr klagte: "Ich hasse es, ständig kriege ich Herpes".
Mit ihrem wenigen Deutsch verstand Victoria nur eines: HERPES. Auf die Idee, dass Stefanie damit die kleinen Bläschen an ihrer Lippe meinte, kam sie nicht, denn dies nannte man in den USA "Cold Sore". Unter Herpes hingegen verstand man in den USA etwas ganz anderes. Victoria versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, schauderte aber innerlich und dachte "Wie eklig, wie schmutzig, armes Ding, hat mit irgendeinem widerlichen Typen geschlafen".
Als in den folgenden Monaten immer mehr Menschen bekannten, dass sie an Herpes litten, dämmerte Victoria allmählich, dass nicht ganz Deutschland von verlotterten, geschlechtkranken Schülern besiedelt sein konnte, die zudem noch offenherzig über intimste Infektionen redeten.
So erlebte sie eines Tages ein plötzliches Aha-Erlebnis, verstand ihr Missverständnis und musste sich über sich selber totlachen.

Samstag, 23. Mai 2009

Geschenk der Polizei

Anqui war noch frisch an der Universität als sie eines Tages feststellen musste, dass ihr Fahrrad am Bahnhof gestohlen worden war. In Peru wäre sie im Leben nicht auf Idee gekommen, deswegen zur Polizei zu gehen, ihr Freund überzeugte sie jedoch davon, dass das in Deutschland so üblich sei.
Ganz pflichtbewusst ging sie am nächsten Tag tatsächlich zur Polizei und beschrieb den Beamten ihren rostigen Drahtesel.
Nicht sicher, was das Ganze nun bringen sollte, verließ sie das Polizeirevier.
Noch am selben Abend klingelte bei ihr das Telefon. Es meldete sich die Polizei und sagte ihr, dass man schon seit Monaten ein altes, herrenloses Fahrrad auf dem Hof stehen habe und ob sie es nicht haben wolle. Anqui konnten ihren Ohren nicht trauen, ging am nächsten Tag wieder zum Revier und bekam ohne Umschweife das Fahrrad ausgehändigt.
Für nächsten Wochen erzählte sie ihren Freunden und ihrer Familie noch oft diese Geschichte - nicht ohne zu erwähnen, dass das neue Rad viel besser war als die Gurke, die ihr am Bahnhof gestohlen wurde.

Donnerstag, 14. Mai 2009

Taxi am Limit

Vor einigen Jahren hatte Abu El-Sud seine Feundin Anqui dazu überredet, mit ihm ins Kino zu gehen, um das Indiana Jones Special zu schauen. Alle drei Filme am Stück.
Anqui brachte ihren Enthusiasmus dadurch zum Ausdruck, dass sie schon während des ersten Films einschlief. Abu El-Sud jedoch hielt bis zum Ende durch.
Als die beiden sich dann gegen 3 Uhr morgens aus dem Kino schleppten, fiel ihnen ein, dass selbst in Karlsruhe um diese Zeit weder Busse noch Bahnen fuhren. In ihrem Zustand 5 Kilometer nach Hause zu laufen, kam nicht in Frage.
So gingen sie zum nächsten Taxistand. Kinokarten, Cola und Popcorn hatten am Budget gezehrt, und so mussten sie mit Schrecken feststellen, dass ihnen zusammen noch 12 D-Mark blieben.
Schüchtern fragten sie den ersten und einzigen Taxifahrer am Stand wie weit er sie bringen könne. Er murmelte etwas von "mal sehen" und winkte sie mit der Hand ins Auto. Auf der Fahrt kauerten die beiden eng nebeneinander auf der Rückbank und starrten gebannt auf das Taxameter. Nicht nur dass es schon bei 2 Mark gestartet war, wie irre schien es hochzuzählen. Nervös rechnete sich Abu El-Sud aus, wo das Ding auf 12 springen, der Fahrer ein Vollbremsung machen und sie beide in die kalte Nacht aussetzen würde.
Es dauerte nicht lange und das Taxameter erreichte die magische 12. Es gab einen Moment der Stille. Dann hob der Fahrer seine Hand, schaltete das Gerät aus und fuhr die beiden noch bis vor ihre Haustür.
Er war Grieche wie sich später herausstellte. Und so wurde die wundersame Rettung am nächsten Tag mit Pita-Spezial bei Spyros an der Ecke gefeiert.

Mittwoch, 13. Mai 2009

Schild-Bürger: Jerker

Bei diesem Namen stellt sich unweigerlich die Frage, was in diesem "Aufbewahrungselement" aufbewahrt werden soll.
Sicherlich macht es sich gut in Kombination mit Leksvik.

Sonntag, 3. Mai 2009

19:00:35

Auch wenn Larry nun schon einige Jahre nicht mehr in Australien wohnt, gibt es doch immer wieder Momente, in denen er sich über Deutschland wundert.
So erst neulich, als er abends noch rasch eine Zeitung kaufen wollte und zum Tabakladen an der Ecke ging. Schon als er auf den Eingang des Geschäftes zuging, sah er, wie der Besitzer sich von innen der Glastür näherte. Als Larry schließlich an der Tür ankam und an ihr zog, merkte er dass, der Besitzer sie soeben abgeschlossen hatte.
Nur durch wenige Milimeter Glas getrennt schauten die beiden sich in die Augen. In aller Ruhe, drehte Besitzer ein Schild mit dem Text "Geöffnet" auf "Geschlossen" und deutete wortlos mit dem Finger auf die Öffnungszeiten, die auf das Glas der Tür geklebt waren. 9:00-19:00 stand dort. Larry schaute auf seine Armbanduhr, sah, dass es 19:00:35 war, lächelte den Besitzer an und sagte durch das Glas, dass er nur eine Zeitung kaufen wolle und öffnete seine Hand, um zu zeigen, dass dort bereits das abgezählte Geld bereit lag.
Ohne eine Miene zu verziehen, deutete der Besitzer noch einmal auf die Öffnungszeiten, drehte sich um und verschwand in seinem Laden.
Larry stand noch eine gute Weile verduzt vor der Tür, rieb sich die Augen und schaute an diesem Abend Fernsehen, anstelle die Zeitung zu lesen.

Samstag, 25. April 2009

Langnase putzen

Als Naoko noch in Japan wohnte, war sie es gewohnt, nie vor Leuten die Nase zu putzen. In der Schule war sie sogar extra in die Toilette gegangen, um sich zu schnäuzen. Wohlgemerkt hatte sie dies nicht am Waschbecken vorm Spiegel getan, sondern sich in einer Kabine eingeschlossen. So wie alle anderen Schülerinnen auch.
In Deutschland musste sie dann feststellen, dass das Nase putzen hier etwas lockerer gehandhabt wird, und man sich keineswegs scheut, denn Schnodder in aller Öffentlichkeit aus den Löchern zu pusten.
Mit der Zeit gewöhnte sich Naoko daran und begann schließlich selber, vor Publikum das Taschentuch zu ziehen.
Als sie eines Tages Japan besuchte, mit einer Freundin durch Tokyo lief, tat ihre Nase dasselbe und ohne groß nachzudenken holte sie ein Tempo aus ihrer Tasche. Als sich jedoch ihre Hand mit dem Tuch Richtung Nase bewegte, schrie ihre Freundin plötzlich leise auf und zerrte sie in eine kleine Nebenstraße, wo sie ihr dann ungesehen von anderen Japanern erlaubte, die Nase zu putzen. Kaum war sie fertig, schaute ihre Freundin sie an, schüttelte den Kopf und sagte: "Bist Du eine Deutsche geworden?".
Inzwischen ist es Naoko aber egal, und wenn sie nicht gerade in Japan ist, putzt sie sich überall die Nase. Entgegen der Befürchtung ihrer Freundin, scheint sie jedoch noch keine Deutsche geworden zu sein. Denn auch nach 15 Jahren in diesem Land, versteht sie bis heute nicht, warum die Deutschen beim Nase putzen so laut sein müssen, warum Nase putzen so klingen muss wie frenetische Posaunenstöße und warum es den Leuten nicht möglich ist, es ganz ohne Geräusch zu tun.

Samstag, 18. April 2009

Schild-Bürger: Draußen bleiben!

Was darf man hier alles nicht? Oder besser: Was darf man überhaupt?
Schauen wir genauer hin:
Rauchen? Nein.
Hunde? Nein.
Siegel? Nein.
Quallen müssen auch draußen bleiben.
Gleiches gilt für Kinderwagen.
Dafür dürfen Teekannen passieren.
Rollschuhe bei Mondschein und Fahrräder ohne Lenker jedoch nicht.
Benzinkanister? Nein.
Hände, die Wasser auffangen? Nein.
Koffer? Nein.
Radiorekorder? Nein.

Dann ist ja alles klar.

(Das ganze findet sich übrigens hier: Klick. Die deutsche Kultur hat also ihre Spuren hinterlassen.)

Sonntag, 12. April 2009

Die berührt alle Jungs!

Am Anfang fand Maria die Deutschen komisch. Einerseits schienen sie Angst davor zu haben, jemand anderes zu berühren, andererseits rückten sie einem bei einem Gespräch unglaublich nah auf die Pelle. Nicht dass sie den Kopf reckten, sondern der ganze Körper schien sie näher heranzuschieben. Eine mögliche Erklärung für Letzteres vermutete sie darin, dass die Deutschen in der Regel sehr leise sprachen und einfach näher zum Kopf des Gesprächspartners rücken mussten, um überhaupt verstanden zu werden.
Über die Berührungsängste machte sie sich hingegen keine Gedanken und benahm sich fröhlich so wie aus Portugal gewöhnt. In Gesprächen langte sie munter in Richtung der anderen, tippte Schultern an, griff nach Händen und zeigte auch sonst keinerlei Scheu vor Körperkontakt. Da dabei auch ab und zu ihre Hand nach erfolgter Berührung ihre Hand auf der ihres Nachbarn liegenblieb, fragte sie eine Freundin "Ist dir klar, dass du alle Jungs anfasst? Weißt du, was sie denken können?".
Nein, Maria wusste es nicht. Aber allmählich dämmerte ihr, wie sehr sie ihre berührungsfeindliche Umgebung in Verwirrung stürzte. Auch wenn es ihr schwerfiel, und sie bis heute immer wieder die ein oder andere Kontakt-Attacke erleidet, so begann sie doch, sich mehr und mehr zurückzuhalten.

Samstag, 4. April 2009

Der geht bei Rot!

Wenn Zhang einmal wieder mit der Familie in China ist, um Verwandte zu besuchen, bleibt er brav mit Frau und Tochter an der roten Ampel stehen. Man will den Kindern ja ein gutes Beispiel geben.
Soweit nichts Ungewöhnliches. Wenn man sich nun allerdings vorstellt, dass Zhangs Familie in diesem Moment die einzigen Menschen in ganz Shanghai sind, die ruhig an einer roten Ampel stehen, während um sie herum das Leben fröhlich wuselt, erhält man eine Vorstellung von der Absurdität des Bildes.
Zum Glück wurde der Tochter noch in Deutschland eingeschärft Deutsch zu sprechen, wenn ihr etwas besonderes auffällt. So wird manche Peinlichkeit vermieden, denn niemand versteht, wenn sie sich lautstark auf Deutsch darüber empört: "Der Mann da geht ja bei Rot rüber!"
Was Zhang hingegen erstaunt, ist, dass er sich plötzlich selber darüber ärgert, wenn sich Leute in China nicht an die Verkehrsregeln halten. Dabei hatte es ihn früher nicht die Bohne interessiert, ob ihn z.B. jemand auf der Autobahn von rechts überholt hätte.

Dienstag, 31. März 2009

Der 1. Tag

Dezember, Schnee, fünf Uhr abends. Es gibt sicher schönere Zeiten, um das erste Mal nach Deutschland zu kommen.
Im Internet hatte Fernando sich eine Karte ausgedruckt, die er nun dem Taxifahrer zeigte. Als dieser nur nickte und "Ich Bosnien" sagte, war klar, dass man keine gemeinsame Sprache sprach. Im Taxi brauste man dem Ziel entgegen. In der Nähe angekommen, fehlte die präzise Adresse, das Taxi fuhr einige Male im Kreis und da das Taximeter beständig stieg, bat Fernando den Fahrer zu stoppen.
Im Dunkeln, mit einem Koffer und einem enormen Rucksack machte er sich unter kräftigem Schneefall auf die Suche. Er fühlte sich ein wenig wie Scott oder Amundesen auf der Suche nach dem Südpol.
Schneller als gedacht kam er an dem gesuchten Institut an, nur um dort festzustellen, dass die Tür verschlossen war. Er klingelte und klopfte und kurz bevor er gehen wollte, öffnete eine Dame mit Kopftuch und Besen. Sie sagte nicht woher sie kam, doch wieder war klar, dass man keine gemeinsame Sprache sprach. Immerhin ließ sie ihn hinein. Er begann das Gebäude nach dem Professor abzusuchen, der ihn erwarten sollte. Nirgendwo las er den Namen und als plötzlich ein großer Mann in Anzug auftauchte und sich anschickte, das Gebäude zu verlassen, schöpfte er Hoffnung. Er fragte ihn, ob er seinen Professor kenne und erhielt als Antwort ein "Ja". Er fragte, ob er noch da sei, die Antwort war "Nein" und der Mann verschwand.
Verblüfft stand Fernando da als nur wenig später aus einer Tür ein kleiner Mann mit einer Bratpfanne erschien und sich ins Treppenhaus des Geologisch-Paläontologischen Instituts begab. Ein Myanmar wie sich herausstellte. Ein wenig Englisch konnte der Mann, und lettztlich konnte er Fernando helfen, sein eigentliches Ziel zu finden.
So begann sein Aufenthalt in Deutschland: mit viel Schnee und ganz ohne Deutsche.

Montag, 23. März 2009

Im Recht!

Die Schilder auf der Autobahn erinnern Umberto auch nach 10 Jahren immer wieder daran, dass er in der Fremde ist. Denn die Schilder sind blau und nicht wie in Italien (und jedem anderen Land) grün.
Hingegen hat er sich inzwischen daran gewöhnt, dass der Straßenverkehr in Deutschland extrem geregelt abläuft. Dennoch erstaunt es ihn immer noch, wie sehr die Autofahrer deswegen auf ihrem Recht bestehen und sich dieses immerfort nehmen. Jeder geht davon aus, dass die anderen sich genauso an die Regeln halten wie man selbst. Das Erstaunliche ist, dass es klappt und nicht im Minutentakt Unfälle gibt. Würde man es mit dieser Einstellung in Italien versuchen, man würde in kürzester Zeit im Krankenhaus aufwachen.
So rasen z.B. die Fahrer in Deutschland durch den Kreisverkehr und gehen einfach, davon aus, dass niemand plötzlich von der Seite hineinschießt. In Italien hingegen fährt jeder vorsichtig, da nicht damit zu rechnen ist, dass sich irgendjemand an die Regeln hält. Gleiches gilt in Rechts-vor-Links-Straßen. Die Logik des Systems will, dass wer hier rechts abbiegt, immer Vorfahrt hat. Auch auf diesem Recht wird in Deutschland bestanden. Flink, konsequent und ohne daran zu denken, dass ein irrer Italiener von irgendwoher angefahren kommen könnte.
Die Kinder lernen von ihren Eltern und benehmen sich im Straßenverkehr wie kleine Erwachsene. Sie lernen, dass man bei Rot an der Ampel stehen bleiben muss. Egal ob es tiefste Nacht ist, oder die Welt gleich untergeht.
Italiener würden so etwas nie ihren Kindern beibringen. Sie halten es sogar für falsch, die Kleinen auf Farbenlehre zu drillen. Sie sollen viel mehr lernen, darauf zu achten, ob die Straße frei ist, bevor sie queren (und erst recht, wenn es rot ist...). Denn wie sich an den deutschen Kindern schön beobachten lässt: Sobald die Ampel auf grün gesprungen ist, rennen die deutschen Kinder los. Nach links und rechts wird nicht mehr geguckt. Man ist ja im Recht und ob schon wieder der irre Italiener angerast kommt, merken sie erst, wenn er sie über den Haufen fährt.

Sonntag, 15. März 2009

Schild-Bürger: Schilderwand


Wer in diese Straße einbiegen möchte, muss vermutlich zunächst einmal anhalten, um die sich vor ihm aufbauende Schilderwand zu verarbeiten. Es stellen sich Fragen:
Welches Schild sticht welches?
Bezieht sich "Anlieger frei" nur auf Autos und Motorräder (letztere übrigens ohne Helm). Und dürfen Fahrzeuge von Anliegern mehr als 5.5 Tonnen wiegen?
Dürfen auch Fußgänger nur in die Straße, wenn sie Anlieger sind?
Und was, wenn ein Passant mehr als 5.5 Tonnen auf die Waage bringt?
Dürfen Kinder auf der Straße spielen? Macht es einen Unterschied, ob man ein Anliegerkind ist oder nicht?
Ist die Anordnung der Schilder von Bedeutung? Muss man also die Schilder in einer bestimmten Reihenfolge lesen, um die logische Verknüpfung zu verstehen?
Man weiß es nicht.

Samstag, 14. März 2009

Wann gehst Du zurück?

Nach einer Weile kannte Zhang das Spiel. Wenn er jemanden neues kennen lernte, gab es stets die folgenden 4 Standardfragen:
  • 1. Wie heißt du?
  • 2. Woher kommst du?
  • 3. Was machst du?
  • 4. Wann gehst du zurück?
Die ersten Male beantwortete er brav und höflich das Wie-Woher-Was, nur beim "Wann gehst Du zurück?" musste er immer schlucken und denken "Was heißt 'zurück', ich bin doch gerade erst hier angekommen!? Wollen die, dass ich wieder gehe?".
Wie unhöflich. In China würde sich niemand wagen, einem Fremden, einem Gast im Land, diese Frage zu stellen.
Doch mit der Weile gewöhnte sich Zhang daran, zimmerte sich eine Standard-Entgegnung auf Frage 4 und antwortete freundlich lächelnd und ohne zu zögern.

Montag, 9. März 2009

Unmöbliert

Erst ein paar Tage in Deutschland musste Fernando sich auf Wohnungssuche begeben. Da er außer "Guten Tag" kein Wort Deutsch sprach, begann ein kleines Abenteuer.
Zunächst musste er sich die von kryptischen Abkürzungen durchsetzten Kleinanzeigen in der Zeitung übersetzen lassen.
Dann begann er die Inserenten anzurufen. Da die Menschen am anderen Ende der Leitung selten Englisch sprachen, endeten die meisten Gespräche nach kurzer Zeit mit einem "Klick".
Irgendwie schaffte er es trotzdem, einige Besichtungstermine zu vereinbaren. Doch was er zu sehen bekam, schockte ihn: Die Zimmer waren leer! Vier Wände, Boden, Decke - sonst nichts!!! "Wo soll ich meine Sachen unterbringen? Wo soll ich mich hinlegen?", schoss es ihm voller Panik durch den Kopf.
Es beruhigte ihn wenig, dass seine Gesprächspartner bei jeder Besichtigung dann auch noch von "Kaution" sprachen, nicht recht erklären konnte, was das ist und ihm nur das englische "Caution" als Erklärung in den Sinn kam.
Da alle Wohnungen leer waren wie verlassene Höhlen und über allen das alarmierende Wort Kaution schwebte, entschied er sich letzten Endes für eine Wohnung, bei der er wenigstens das Gefühl hatte, mit den anderen Bewohnern kommunizieren zu können.
So erfuhr er dann auch bald die wahre Bedeutung von Kaution und unmöbliert und verstand, dass Letzteres im Gegensatz zu Spanien der Normalfall in Deutschland war.

Sonntag, 1. März 2009

Wurstköpfe und Käsfresser

Jeder Holländer weiß, dass die Deutschen in Holland das Land des Käses sehen und die Einwohner auch gern einmal als Käsköpfe bezeichnen. Deswegen erstaunt es Jan bis heute, dass kaum ein Deutscher weiß, dass Holländer in Deutschland das Land der Würste sehen. Ein Land, in dem es alle möglichen und unmöglichen Arten von Würsten gibt und wo weder ein Fußballspiel noch eine Grillabend ohne Würste denkbar sind.
Regelmäßig können holländische Leser staunend in ihren heimischen Zeitungen lesen, wie sich bei ihren Nachbarn in jedem noch so kleinem Dorf irgendwo eine Bude findet, wo Wurst mit Pommes gegessen werden kann oder dass Wurst mit Kartoffeln sogar Heiligabend bei jeder dritten Familie auf dem Weihnachtstisch landet.
Amüsiert lesen sie weiterhin, dass es in Deutschland regelmäßig Wahlen zur besten Currywurstbude gibt, dass der Currywurst nicht nur ein Lied gewidmet wurde, sondern dass in Berlin 2009 das erste Currywurstmuseum die Tore öffnen soll (Motto des Museums "Die Currywurst gehört zu Berlin wie das Brandenburger Tor").
Viele Würste leiten ihre Namen von ihrer Ursprungsstadt ab. Dass es nicht nur Frankfurter, Regensburger, Braunschweiger, Thüringer, sondern auch Wiener und Krakauer gibt, deutet darauf hin, dass Würste in Deutschland eine lange Tradition haben.
Die schiere Vielfalt der verschiedenen Würste hat einen Spaßmacher dazu veranlasst, einen Wurstkoffer zu bestücken, der sich in Holland großer Popularität erfreut.
Doch nicht genug: Die holländische Punkband De Heideroosjes haben es sich nicht nehmen lassen, zum Zwecke der Völkerverständigung das Lied "Wurst & Käse" zu veröffentlichen.
Jan hatte schon recht schnell die immense Bedeutung der Wurst für die Deutschen erkannt. Und wenn einer seiner deutschen Freunde dies bezweifelte, überzeugte er diesen im Handumdrehen durch die Erwähnung zweier entscheidender deutscher Redewendungen: Bei Entscheidungen von enormer Tragweite "geht es um die Wurst" und wenn einer Person etwas völlig egal ist, dann "ist es ihr wurscht".

Samstag, 21. Februar 2009

Vetrauen ist gut

Sandra war immer wieder erstaunt, wie viele Dinge in Deutschland auf reinem Vertrauen basieren.
Ein Beispiel, das sie bis heute noch fasziniert, sind die Bauern, die auf ihren Feldern Blumen anpflanzen und Vorbeikommende auf Schildern zum Selberpflücken auffordern. Bezahlt wird in eine Blechdose, die einsam am Rande des Feldes aufgestellt ist.
Würde man dasselbe in Portugal versuchen, wäre spätestens am dritten Tag das Feld leer geräumt; inklusive der Blechdose.
So wunderte sich Sandra auch nicht weiter als sie das erste Mal Schilder sah, auf denen stand, dass man auf einem Parkplatz nur eine begrenzte Zeit stehen dürfe. Zwar fragte sie sich "Wie zum Teufel wollen die das kontrollieren!?", sagte sich dann aber, dass dies sicher auch auf Vertrauen basiere.
Beeindruckt von der Redlichkeit der Deutschen, parkte sie daraufhin auf diesen Parkplätzen und hielt sich schön an die Regeln, indem sie immer vor Ablauf der angeschriebenen Zeit zu ihrem Auto zurückkehrte.
Als sie viele Monate später einem Freund von ihrer Bewunderung für diese Art des Parkens berichtete, erklärte dieser ihr den Zweck der blauen Karte in ihrem Handschuhfach, über die sie sich schon immer gewundert hatte.

Donnerstag, 12. Februar 2009

Freie Fahrt

Fernando nickte zustimmend als die anderen darüber sprachen, wie gut der öffentliche Nahverkehr in Deutschland sei. Als er anerkennend einwarf "Klar, ist er hier super - er ist ja sogar umsonst!", verstummte seine Gesprächsrunde mit einem Mal und Fernando blickte in Gesichter, die aussahen als hätten sie plötzlich einen Volltrottel unter sich entdeckt.
Dabei hatte er sich in den drei Tagen seit seiner Ankunft in Deutschland nichts Böses gedacht. Aus Spanien war er gewohnt, dass man vorne beim Fahrer in den Bus einsteigt und dort seine Fahrkarte zeigt oder kauft.
Doch als er die Deutschen beobachtete, sah er niemanden, der eine Fahrkarte kaufte. Die Leute stiegen irgendwo ein, kaum einer beim Fahrer und setzten sich hin. "Gut", dachte er sich "die Deutschen sind immer so korrekt und wenn niemand ein Ticket hat, dürfte dies schon seine Richtigkeit haben." Vorsichtig stieg er noch zwei-, dreimal beim Fahrer ein, doch als von diesem keine Aufforderung zu irgendetwas kam, sah er sich bestätigt, war begeistert vom Luxus in Deutschland und freute sich auf viele Gratisfahrten in Bus und Bahn.

Samstag, 7. Februar 2009

Bier umsonst

Jan freute sich. Er verstand nicht genau wieso, aber aus irgendeinem Grund gab es an diesem Abend das Bier umsonst in der Kneipe. Und so schmeckten die vielen Biere noch besser.
Als am Ende des Abends jedoch die Bedienung zum Abkassieren an den Tisch kam, war die Enttäuschung groß. Erst jetzt dämmerte ihm, dass in Deutschland nicht wie in den Niederlanden üblich jedes Getränk einzeln bezahlt wird, sondern es durchaus die Regel ist, die Rechnnung am Ende zu begleichen. Zum Glück hatte der seinen Fehler noch rechtzeitig bemerkt und war nicht erst beim Hinausgehen vom Rauschmeißer auf seine Schulden aufmerksam gemacht worden. Ansonsten wäre Jan sein erster Besuch in einer deutschen Kneipe vermutlich nicht so gut in Erinnerung geblieben.

Samstag, 31. Januar 2009

Geld begreifen

In den USA ist Geld etwas Heiliges. Ähnlich wie die amerikanische Flagge niemals den Boden berühren, geschweige denn mit Füßen betreten werden darf, gilt es als ungehörig, Geld einfach auf die Tresen zu legen oder sonstwie aus der Hand zu geben. Soll es den Besitzer wechseln, so muss es ohne Zwischenstopp von Hand zu Hand wandern. Ähnlich wie in Japan Visitenkarten ausgetauscht werden.
Solche amerikanische Sitten gewohnt, trieben manche alltäglichen Dinge wie der Einkauf im Supermarkt Victoria an den Rand der Überforderung. An der Kasse packte niemand ihre Dinge in Tüten und so warf sie hastig das soeben Gekaufte in den Rucksack, während schon die Waren des nächsten Kunden auf dem Kassenband heran poltererten und drohten, ihr Zeug auf den Boden zu stoßen.
Als sei das noch nicht genug, wedelte sie mit einer Hand vor der Nase der Kassiererin in der Hoffnung, diese würde das Wechselgeld in ihre offen Handfläche legen. Doch auch wenn sie noch viele weitere Jahre mit der einen Hand bettelnd vor den Nasen der Kassierer herumfuchtelte, während sie gleichzeitig mit der anderen Hand Bananen, Eier und Marmeladengläser in ihren Rucksack stopfte, gelang es ihr nie, auch nur einen Cent zu erhaschen. Stattdessen musste sie die einzelnen Münzen mühsam und einhändig aus irgendeiner Mulde im Kassenbereich kratzen. So wurde sie im Laufe der Jahre Meisterin im flinken Einsammeln von Münzen auf glatten Oberflächen.

Dienstag, 27. Januar 2009

Schild-Bürger: Spielen verboten!


Dass auf diesem schönen Platz im Zentrum von Mannheim nicht gespielt werden soll, versteht sich fast schon von selbst. Denn wie leicht könnte die makellose weiße Wand beschmutzt oder der gepflegte Rasen beschädigt werden. Was oder wer auf dem Platz nicht spielen soll, wird nicht gesagt. Der Einfachheit halber wurde mit Hilfe zweier Wörter ein Generalverbot ausgesprochen. Also, spielfreie Zone, kein Fussball, kein Schach, kein Gameboy, keine Liebesspiele.

Samstag, 24. Januar 2009

Du sprichst aber gut Deutsch

Jahrelang hatte sich Georgi immer wieder gefreut, wenn er von Deutschen gelobt wurde, wie gut doch sein Deutsch sei. Meist wurde die Frage in Gesellschaft gestellt, um das Eis zu brechen. Zunächst hieß es "Wie lange bist Du schon in Deutschland?" und direkt im Anschluss "Du sprichst aber ein gutes Deutsch!". Das war immer lobend gemeint und kam auch so an.
Erst im Laufe der Jahre, als er weniger und weniger gelobt wurde und allmählich beim Sprechen seine eigenen Fehler erkannte, wurde ihm langsam klar, dass es im Grunde nichts Positives war, gelobt zu werden. Denn, so seine These, die er in 10 Jahren entwickelt hatte: Je öfter man gelobt wird, desto schlechter ist das Deutsch. Erst, wenn man nicht mehr gelobt wird, ist das Deutsch wirklich gut.
Und ganz schlimm steht es um das Deutsch, wenn auf die Frage "Wie lange bist du schon in Deutschland?" ein "Oh, ich kenne ganz viele Türken, die nach 20 Jahren immer noch nicht richtig Deutsch sprechen - dafür sprichst du super" folgt. Hört man letzteres, dann ist es noch ein langer Weg, bis man nicht mehr gelobt wird.

Samstag, 17. Januar 2009

Frosch trifft Kröte

Die beiden Weltstädte Conway (Arkansas, USA) und Quakenbrück (Niedersachsen, Deutschland) sind Partnerstädte. Conway hat eine Kröte als Wahrzeichen und Quakenbrück, wer hätte es gedacht, einen Frosch.
Logisch also, dass den beiden Städten nichts anderes übrig blieb, als eine Städtepartnerschaft einzugehen.
Diese Brücke nutzend verschlug es Victoria dereinst aus der amerikanischen Provinz in die deutsche Provinz. Auch wenn es unter den Amphibien beider Städte prima klappte, mit den Menschen in Quakenbrück wurde Victoria nicht warm. Ihr offenes Zugehen und ihre breites Lächeln stießen lediglich auf versteinerte Mienen und knappe Antworten.
Sie wollte die Suche nach dem Schlüssel zum Herzen der Quakenbrücker schon aufgeben als sie eines Tages zu einer Feier eingeladen wurde. Dort gab es reichlich Alkohol, was dazu führte, dass im Laufe des Abends die Züge der Quakenbrücker weicher, die Zungen flinker und die Arme offener wurden.
Danach war alles anders. Wenn sie nun an auf Leute traf, die auf der Feier gewesen waren, wurde sie von Menschen gegrüßt, angelächelt oder gar umarmt, die monatelang weggeschaut hatten, wenn sie ihr begegnet waren. Sie hatte es geschafft, sie war angekommen.
Als Lektion nahm sie mit: Willst du von Quakenbrückern akzeptiert werden, betrink dich mit ihnen.

Samstag, 10. Januar 2009

Nuno Deutschmann

Nuno war dann doch ein wenig über die Reaktionen erstaunt. Dabei wollte er nur freundlich sein und sicher stellen, dass jeder die Möglichkeit hat, sich den Tag rechtzeitig freizuhalten.
Und so schickte er im Oktober per E-Mail eine Einladung für ein Konzert im Januar an seine portugiesischen Freunde. Eine Sängerin aus der Heimat wollte Deutschland mit ihrer Anwesenheit beglücken.
Antworten auf solche Mails lassen normalerweise auf sich warten. Dieses mal jedoch nicht. Schon nach wenigen Minuten fand er in seinem Posteingang E-Mails, in denen er von Landsleuten entweder gefragt wurde, ob er sich vertippt habe, ob er sich einen Witz erlaube oder ganz einfach, ob er noch ganz richtig ticke.
Zum Teil war es nicht unbedingt schmeichelhaft, was er in den Mails lesen musste. Doch der Gipfel aller Schmähungen fand sich in einer Antwort, deren Inhalt schlicht wie folgt lautete: "DEUTSCHER!!!!!!!!!!"

Donnerstag, 1. Januar 2009

Heidelberger Weihnachts-Unterhosen


Auch in dieser Weihnachtssaison wurde die Brückenstraße in Heidelberg-Neuenheim wieder mit den traditionellen, bei Ausländern und Deutschen gleichermaßen beliebten Leuchtunterhosen geschmückt.